„Fehler sind gut”: Interview mit Crafting Future
Crafting Future hat den den dritten Platz bei den Top 50 Start-ups 2021 geholt.
Lennart Heyner, Can Lewandowski und Jan Patzer haben 2020 Crafting Future in Hannover gegründet. Im Interview erzählt Lennart Heyner, wie sie mit ihren Mehrweglösungen die Gastronomie erobern wollen und wieso die Teilnahme an Gründerwettbewerben „mega“ ist.
Was macht ihr überhaupt bei Crafting Future? Wie sieht euer Geschäftsmodell aus?
Wir entwickeln und produzieren messbar nachhaltige Mehrwegbehälter im Lebensmittelumfeld, made in Germany, womit wir Müll und die Klimakrise bekämpfen.
Wie funktioniert das genau? Kannst du das an einem Beispiel erläutern …
Wir stellen die Schüsseln her und arbeiten mit Kooperationspartnern aus Gastronomie und Lebensmitteleinzelhandel zusammen, die diese Produkte in den Markt bringen. Wir begleiten die Gastronomie bei der Umstellung von Einweg- auf Mehrwegverpackungen.
Dazu muss man wissen: Ab dem 1. Januar 2023 greift die EU-Mehrwegpflicht. Demnach müssen alle Gastronomiebetriebe mit mehr als 80 Quadratmetern und mehr als fünf Beschäftigten eine Mehrwegalternative für Take-Away-Verpackungen anbieten, die nicht teurer als Einwegverpackungen ist.
In den meisten Fällen sind Mehrwegverpackungen sogar günstiger. Zwar sind Gastronomen gesetzlich dazu verpflichtet mitzumachen, dennoch gibt es auch einen finanziellen Vorteil. Denn Einwegverpackungen kosten häufig 20 bis 50 Cent. Mit Mehrwegverpackungen sparen Gastronomen also einiges Geld, wenn Mehrweg richtig umgesetzt wird.
Um unsere Lösungen den Gastronomen anzubieten, kooperieren wir mit Partnern. Der bekannteste ist RECUP, wobei es sich um das führende private Pfandsystem für Coffee-to-go und Take-Away in Deutschland handelt.
Mal konkret: Wenn ich mein Mittagessen in einem Laden in einer eurer Verpackungen erhalte, muss ich die bei dem gleichen Lokal abgeben oder kann ich sie auch anderswo zurückgeben?
Bei einem Gastronomen kannst du dir die Rebowl für ein Pfand von 5 Euro ausleihen. Nach der Benutzung bringst du sie zu dem Laden zurück oder du gibst es bei anderen RECUP-Partnern ab. Das ist das Schöne an dem Pfandsystem von RECUP.
Geschirr aus Plastik hört sich wenig revolutionär an. Was ist das Besondere an eurer Lösung?
Partner wie RECUP kommen auf uns zu. Wir helfen ihnen, die richtigen Materialien auszuwählen und die Bowl zu designen und anschließend zu produzieren. Die Entwicklung stellt einen ganz wichtigen Bestandteil unserer Lösung dar. Wir übernehmen den Part: Wie muss eine solche Bowl aussehen, damit sie dicht und langlebig ist. Wie kann das Produkt in diesem System so nachhaltig wie möglich sein? In diesem System sitzen wir wie die Spinne im Netz und sind auch in der Lage, eine Produktion relativ schnell hochzufahren.
Wir sehen uns als Vorreiter, was die Kombination von Nachhaltigkeit, Funktionalität und natürlich Wirtschaftlichkeit angeht. Wir versuchen gerade mit verschiedenen Rohstoffen und Additiven ein optimales „Crafting Future Compound“ herzustellen; ein Material, bei dem schon am Anfang ans Ende gedacht ist. Wir wollen also nicht nur Kunststoffschalen in den Markt bringen, sondern wir denken jetzt schon daran, wie sich diese am Ende recyclen lassen. Darüber hinaus achten wir darauf, dass die Bowl nicht leicht verkratzt, antimikrobiell ist und versuchen auch neue Technologien wie das Spritzschäumen anzuwenden.
Bei dieser Technologie entsteht in der Bowl ein Geflecht von Hohlräumen, womit weniger Material verwendet wird. Auf diese Weise werden 30 bis 50 Prozent des Materials eingespart und es wirkt auch noch isolierend.
Welches war eure bisher größte Herausforderung?
Es hat tatsächlich ein Jahr gedauert, eine erste Schüssel herzustellen, die den komplexen Anforderungen der Gastronomie hinsichtlich Mehrweg gerecht wird, und dann war sie nicht einmal dicht – unfassbar. Zwischenzeitlich hatten wir schon angefangen, die Produktion anzuschieben.
Als die ersten Bowls aus der Spritzgussmaschine geploppt sind und wir sie in der Hand hielten, war das ein unglaubliches Gefühl. Das war wie bei der „König der Löwen“, als der Löwe seinen Nachwuchs vor den versammelten Tieren hochhalten lässt. Anschließend haben wir die Bowl mit einem Curry ausprobiert und der gesamte Rucksack war gelb. Das war unglaublich frustrierend. Damals hat uns das − in einem ohnehin schon sehr engen − Zeitplan zurückgeworfen.
So etwas sind wichtige Fehler, die man einfach einmal machen muss. Fehler müssen manchmal sein, um einfach weiterzukommen.
In welcher Start-up-Phase befindet ihr euch derzeit? Wie ich sehe, seid ihr bereits 19 Leute …
Wir haben mit RECUP einen ersten Kunden, mit dem wir schon auf dem Markt sind. Wir verdienen auch schon unser eigenes Geld. Im Jahr 2021 haben wir 3,9 Mio. Euro Umsatz gemacht und einen Gewinn erwirtschaftet.
Neben RECUP gibt es noch andere Player im Markt. Es gibt viele mögliche Kunden im Lebensmittelumfeld wie z.B. Catering-Unternehmen oder große Lebensmitteleinzelhändler. All das sind potenzielle Kunden.
Wie sieht eure Finanzierung aus? Habt ihr Business Angels an Bord oder plant ihr im laufenden Jahr weitere Finanzierungsrunden?
Seit 2020 haben wir fünf Business Angels mit an Bord. Darüber hinaus finanzieren wir uns über Kredite und sind schon profitabel. Aktuell geht es uns finanziell gut. Allerdings reicht unser Cashflow aktuell noch nicht für unsere ambitionierten Wachstumspläne aus. Hier wird in Zukunft sicherlich zusätzliches Kapital benötigt, wofür wir dann auf Investoren zugehen. Wir erhalten tatsächlich regelmäßig Anfragen von Investoren und sind im konstruktiven Austausch.
Wir wollen Umsatz und Mitarbeiterzahl deutlich steigern, auch wenn ich keine konkreten Ziele nennen kann. Am Ende des Jahres werden wir sicherlich um die 30 Mitarbeitende sein – vielleicht ein bisschen mehr. Es ist kein Sprint, sondern ein Marathon.
Bei Wettbewerben müsst ihr proaktiv hinterher sein. Wir haben das nicht gemacht. Bei vielen Wettbewerben denkt man häufig, dass man keine Chance hat, dort etwas zu gewinnen.
Lennart Heyner, Mitgründer von Crafting FutureNoch zu einer anderen Thematik: Ihr habt an verschiedenen Gründerwettbewerben teilgenommen. Was hat das euch gebracht?
Mega. Diese Wettbewerbe bringen eine Menge. Sie sind sehr gut und es ist auf jeden Fall sinnvoll, daran teilzunehmen. Dabei geht es nicht so sehr um das Preisgeld. Schließlich ist unklar, ob man etwas abbekommt und wenn ja, dann handelt es sich eher um eine Aufwandsentschädigung für die investierte Arbeit.
Viel wichtiger ist die Präsenz in den Medien, die damit verbunden ist. Nachdem wir z.B. den dritten Platz bei den Top 50 Start-ups geholt haben, war unglaublich viel auf LinkedIn los. Das Echo in Zeiten von LinkedIn und dem Internet ist einfach unfassbar. Damit steigen auch die Nachfragen und ganz andere Player interessieren sich plötzlich für uns.
Wenn du heute jemanden anschreibst, dann googelt der dich erst einmal. Die Siege in den Wettbewerben sprechen dafür, dass wir ein verlässlicher Partner sind. Uns als Gründern und unserem Team zeigt dies, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Das bringt einen unfassbaren Motivationsschub.
Bei Wettbewerben müsst ihr proaktiv hinterher sein. Wir haben das nicht gemacht. Bei vielen Wettbewerben denkt man häufig, dass man keine Chance hat, dort etwas zu gewinnen. Es gibt einfach zu viele Konkurrenten.
Das ist nicht ganz korrekt. Die Teilnehmerzahlen sind gar nicht so hoch. Die Chancen stehen also nicht schlecht.
Ganz genau. Man muss sich einfach trauen und es versuchen. Gewinnt man erst einmal einen Wettbewerb, dann stehen die Chancen beim zweiten schon besser und so geht es weiter.
Abschließend: Was würdet ihr anderen empfehlen, die über die Gründung eines Start-ups nachdenken?
Erstens: Fehler sind gut. Loslaufen, Fehler machen und Hypothesen zu testen, ist ganz wichtig sowie daraus zu lernen.
Zweitens: Wir haben beim Hafven Accelerator in Hannover mitgemacht. Was einem Gründer am Anfang fehlt, das geben die einem mit. Mentoren und Coaches helfen dabei, Kernaussagen zu entwickeln: Was wollen wir machen, was ist überhaupt das Problem am Markt und wie können wir es lösen? Von daher kann ich die Teilnahme an Acceleratoren nur wärmstens empfehlen.
Drittens: Ihr könnt erfahrenere Gründer direkt übers Internet kontaktieren und konkret fragen, wie sie etwas gemacht haben oder welche Tipps sie euch geben können. Da muss man einfach ein wenig frech sein.