Beim Gründerpreis NRW 2021 hat die Schüttflix GmbH aus Gütersloh den ersten Platz belegt. Im Interview verrät Unternehmensgründer Christian Hülsewig, wie er zu seiner Geschäftsidee kam, wie es weitergehen soll und worin das Rezept erfolgreicher Gründer besteht.
Bei Microsoft war ich für die weltweite Logistik verantwortlich und vorher habe ich in der Logistik bei der Bertelsmann-Tochter arvato in Los Angeles gearbeitet. Ich wollte ein Unternehmen im Logistikumfeld aufbauen, weil ich zehn Jahre Logistik gemacht habe. Das war zwar nicht im Sand-, Schotter-, Kiesbereich, sondern es ging darum, X-Boxen, Mäuse oder Tastaturen von Asien nach Nord-, Südamerika, Europa – egal wohin – zu bringen. Das waren immerhin rund 200 Mio. Artikel im Jahr. Microsoft besitzt natürlich keine eigenen Schiffe oder Laster. Es ging darum, die Dienstleister zu steuern. Es handelte sich um eine outgesourcte Supply-Chain.
Vor meiner Zeit in den USA war ich einige Jahre in und um Gütersloh tätig. Darüber hinaus gibt es auch familiäre Verbindungen dorthin.
In der Baubranche gibt es keine großen Player im Supply-Chain-Management. Es gibt keinen Anbieter, bei dem ich deutschlandweit alle Schüttgüter kaufen kann. Natürlich gibt es unzählige lokale Unternehmen, bei denen man Kies oder Sand kaufen kann; dabei handelt es sich aber um einen höchst fragmentierten Markt. Einige größere Player bieten zwar Schotter und Splitt, aber keinen Sand oder Kies an. Es gibt keinen Player, bei dem man in ganz Deutschland die ganze Angebotspalette bestellen kann.
Erstens wollen die großen Baukonzerne einen Ansprechpartner haben, bei dem sie deutschlandweit sämtliche Schüttgüter bestellen können. Zweitens gibt es in Deutschland keinen großen Baulogistiker.
Die Autoindustrie ist ein gutes Beispiel für eine Branche, die bereits systemisch arbeitet. Die Zulieferer haben sich um Fabriken herum angesiedelt und liefern Dinge wie Armaturen und Sitze systemisch integriert. Das heißt: Wenn ein Hersteller ein Auto verkauft, weiß der Reifenhersteller genau, wann er die Reifen an das Autowerk liefern muss und der Sitzhersteller weiß, welche Farbe der Sitz haben soll. All das geschieht systemisch, da ruft niemand an und bestellt zwei Sitze. In der Baubranche sieht das noch anders aus. Aber wir arbeiten daran.
Nein, das Geschäftsmodell lässt sich nicht mit Flixbus vergleichen. Es funktioniert eher wie ein Preisvergleichsportal wie Check24. Es werden also zunächst die Preise der Lieferanten miteinander verglichen. Daran angeschlossen ist ein Transportmanagementsystem, welches eher wie Uber funktioniert. Man bestellt also mit seinem Smartphone zwei Lkw-Ladungen und innerhalb von vier Stunden bekommt man die Antwort, dass die Lkw auf dem Weg sind.
Im Transportmanagement im Sand- und Kiesbereich gibt es keine digitalen Wettbewerber. Unsere Wettbewerber sind die lokalen Händler.
Sehr gut. Der erste Transport war der schwerste Transport. Seither geht es eigentlich nur noch bergab; es wird also immer leichter. Mittlerweile haben wir etwa 120.000 Lkw-Ladungen vermittelt. Wenn man sie hintereinanderstellen würde, ergäbe dies etwa 2400 Kilometer. Eine Ladung beträgt durchschnittlich 25 Tonnen, also ca. 3 Mio. Tonnen insgesamt.
Christian Hülsewig hat Economics & Finance an der Bentley University in Boston studiert und seine Karriere 2008 bei arvato, der Logistik-Tochter des Bertelsmann-Konzerns, in Gütersloh begonnen. 2012 ging er dann für das Unternehmen nach Los Angeles, wo er Executive Vice President war. Von 2015 bis 2018 arbeitete Hülsewig für Microsoft am Konzernhauptsitz in Seattle. Als Director Global Fulfillment and Distribution war der Logistik-Experte dort für das Supply-Chain-Management des Konzerns zuständig.
Die größte Herausforderung stellt bei uns die Technology-Adaption dar. Wir müssen die Leute dazu bringen, nicht mehr dort anzurufen, wo sie es immer getan haben, sondern sie müssen ihre Bestellungen in ihr Smartphone eintippen. Das ist ähnlich wie bei Netflix: Jeder zappt erst einmal zehn Fernsehkanäle durch und findet nichts Passendes, bevor er bei Netflix nachschaut. Das könnte er ja auch gleich machen.
Die ersten 4 Mio. Euro haben mein Mitgründer und ich finanziert; das ist ein Gütersloher Abbruchunternehmer. Seither haben wir bei mehreren Finanzierungsrunden insgesamt 70 bis 80 Mio. Euro eingesammelt. Die letzte Finanzierungsrunde betrug 50 Mio. Dollar. Mit dabei sind Holtzbrinck Ventures aus Deutschland und seit drei Monaten auch Molten Ventures aus London.
Das ist richtig. Die Expansion nach Polen, Tschechien und Österreich steht an. Außerdem werden wir unser Produktportfolio erweitern.
Wir haben jetzt 150 Mitarbeiter; vor einem Jahr waren es noch 30. Zunächst müssen wir erst einmal zusehen, dass wir uns konsolidieren und die Teams so einarbeiten, dass sie Gas geben können. Ich schätze aber, 200 bis 250 werden es schon werden.
Das Allerwichtigste aber ist, immer den Kunden zuzuhören. Wenn die Kunden die Idee gut finden, wenn sie die Lösung gut finden, dann wird daraus auch etwas. Niemals sollte man glauben, dass man es besser weiß als der Kunde. Das geht meistens schief.
Christian Hülsewig, Gründer von SchüttflixDie Teilnahme an Wettbewerben hilft dabei, als Unternehmen noch bekannter zu werden. Damit steigt auch die Chance, dass Kunden uns nutzen. Abgesehen davon werden mit unternehmerischen Erfolgsstorys Leute in NRW ermutigt, selbst ein eigenes Unternehmen zu gründen. Die Wettbewerbe zeigen, dass man auch in NRW in Branchen, die vielleicht nicht so bekannt sind, und im B2B-Bereich, ein erfolgreiches Unternehmen aufbauen kann.
Hartnäckig zu sein. Man darf sich von kleinen und größeren Rückschlägen nicht unterkriegen lassen, wenn man von seiner Geschäftsidee überzeugt ist. Das Allerwichtigste aber ist, immer den Kunden zuzuhören. Wenn die Kunden die Idee gut finden, wenn sie die Lösung gut finden, dann wird daraus auch etwas. Niemals sollte man glauben, dass man es besser weiß als der Kunde. Das geht meistens schief.