Skalierung oder wie dein Start-up groß und stark wird

Damit ein Start-up stark wachsen kann, müssen die Weichen rechtzeitig richtig gestellt werden

Das Start-up ist gegründet, das Produkt am Markt und nach einer Series A-Finanzierung ist auch noch das Portemonnaie prall gefüllt. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, in die Wachstumsphase überzugehen. Doch wie gelingt die Skalierung? Welches sind die größten Chancen und Herausforderungen und welche Tipps gibt es für die Skalierung von Start-ups? Wir haben die Antworten.

Skalierung
Photo by Suzanne D. Williams on Unsplash

Was bedeutet Skalierung eines Unternehmens?

Skalieren bedeutet Steigerung des Umsatzes, möglichst ohne größere Investitionen oder steigende Kosten. Optimalerweise laufen die wachsenden Erträge und die Kosten immer weiter auseinander, womit die Marge kontinuierlich größer wird und die Profite sprudeln. Immer neue erforderliche Investitionen und proportional steigende Kosten eines Geschäftsmodells sind Gift für die Skalierbarkeit.

1. Der richtige Zeitpunkt fürs Skalieren

Der Startschuss für die Wachstumsphase ist gekommen, sobald das Start-up den sogenannten Product-Market-Fit erreicht hat. Dazu genügt es nicht, den Markt angetestet und die ersten zahlenden Kunden zu haben. Vielmehr handelt es sich um den Punkt, an dem das Produkt zumindest einen gewissen Reifegrad erreicht hat und größere Kunden(gruppen) dafür zu zahlen bereit sind.

„Man braucht zunächst einmal ein Produkt, das die ersten 10.000 Kunden [im B2C-Geschäft] anzieht, ohne viel Marketing zu betreiben. Dazu muss das Produkt  attraktiv genug sein. Wenn man die Viralität des Produktes erreicht hat, dann macht jeder Euro, den man ins Marketing investiert, viel mehr Sinn“, sagt N26-Mitbegründer Valentin Stalf in einem Interview. „Es kommt darauf an, dass die Kunden das Produkt weiterempfehlen. Dann bringt jeder Kunde, den man hinzugewinnt, vielleicht noch einmal zehn weitere mit.“

2. Die Skalierbarkeit eines Geschäftsmodells

Für den Erfolg eines Start-ups entscheidend ist die Frage, wie ein Geschäftsmodell skalierbar ist. Dies lässt sich am Beispiel einer Software erläutern. Für die Entwicklung einer Software fallen beträchtliche Investitionen an. Doch sobald sie fertig ist, soweit man so etwas von einer Software überhaupt behaupten kann, kann sie faktisch grenzenlos skaliert werden. So lässt sie sich an zehn, hundert, tausend oder Millionen Kunden verkaufen, ohne dass die Kosten auch nur annähernd im gleichen Maße wie die Erträge wachsen.

Sicherlich muss für die Skalierung auch Geld in Marketing, Vertrieb, Übersetzung in fremde Sprachen und Kundenservice investiert werden, dennoch steigen diese Kosten unterproportional zu den Erträgen; die Kluft zwischen Aufwand und Erträgen wird immer größer und es klingelt immer lauter in der Kasse des Start-ups. Dies zeigt sich am Beispiel von Microsoft, das allein mit Windows und Office alljährlich ein Vermögen scheffelt.

Doch wie lässt sich die Skalierung befeuern? Dazu gibt es eine Reihe von Methoden. Auf die Frage, was die rooom AG aus Jena mit einer Series A-Finanzierung von 4 Mio. Euro machen will, antwortete Unternehmensgründer Hans Elstner beispielsweise: „Das, was alle Start-ups machen: Skalieren. Eine wichtige Skalierungsmaßnahme ist die Investition ins Marketing. Ein erheblicher Teil wird auch in die Entwicklung der Plattform fließen. Alles, was in Richtung Automatisierung und Skalierung getan werden kann, das werden wir tun. Wir setzen auch auf die Übersetzung und Internationalisierung der Plattform. ... Einiges wird auch in neues Personal fließen."

Skalierbare Geschäftsmodelle
Der Clou bei der Skalierung: Die Lücke zwischen Umsatz und Kosten wird immer größer.

3. Skalierung durch Internationalisierung

Die Eroberung neuer Märkte ist für die Skalierung eines Geschäftsmodells naheliegend. Besonders die großen Märkte wie die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien oder sogar China sind daher für Start-ups interessant.

Doch die Übertragung eines in Deutschland entwickelten Geschäftsmodells auf andere Märkte klingt leichter als es oft ist. Daher muss für einen potenziellen Zielmarkt zunächst eine Marktanalyse angestellt werden. Wer sind die Wettbewerber, wie hoch fällt die potenzielle Nachfrage aus und gibt es rechtliche, administrative oder kulturelle Hürden?

Nicht zuletzt müssen Mitarbeiter mit einschlägigen Sprachkompetenzen zur Eroberung eines ausländischen Marktes eingestellt werden und Niederlassungen im Nicht-EU-Ausland eröffnet werden, wozu regelmäßig eine Tochtergesellschaft gegründet werden muss. All das ist mit empfindlichen Kosten verbunden, weshalb die Skalierung des Geschäftsmodells im Ausland oft erst nach einer Series A-Finanzierung im größerem Umfang möglich wird, wie das Beispiel der rooom AG zeigt.

Internationalisierung ist sicherlich eine Lösung für die Skalierung: größere Märkte mit ggf. den gleichen Produkten zu erschließen“, erzählt Elstner. Doch um einen Spaziergang handelt es sich nicht. Er habe die Herausforderungen eines Ganges in die USA unterschätzt, sagt er heute rückblickend. So reiche das übliche Schulenglisch keinesfalls aus. Für die erfolgreiche Internationalisierung habe die rooom AG schließlich sogar die Unternehmenssprache von Deutsch zu Englisch geändert.

Auch die kulturellen Unterschiede seien größer als viele denken. Webseiten seien unterschiedlich aufgebaut und würden andere „Stories“ erzählen. Während in Deutschland viele Geschäfte analytisch-technisch angegangen würden, wären in den USA diverse Meetings üblich. Am Ende führe um lokales Personal kein Weg vorbei. „In den USA ist es wichtig, dass es einen US-amerikanischen Ansprechpartner gibt“, resümiert Elstner.

4. Personalaufbau als größte Herausforderung

Die größte Herausforderung bei der Skalierung ist weniger das Geld als der Personalaufbau. In Zeiten des Arbeitskräftemangels ist es nicht nur schwierig, ausreichend passendes Personal zu finden, sondern es muss auch eingearbeitet werden und die Kultur des Start-ups übernehmen.

„Der Dreh- und Angelpunkt und die größte Herausforderung sind People – auf unterschiedlichen Ebenen“, sagt Fabian Silberer, Mitgründer und CEO von sevDesk. „Es ist wichtig, dass die richtigen Leute an den richtigen Plätzen sitzen, aber auch dass sie den richtigen Purpose haben.“ Sämtliche Mitarbeiter müssten in die gleiche Richtung laufen. Sobald man feststellt, dass sich einige nicht auf dem richtigen Weg befinden, müsse man entschieden handeln.

Ganz ähnlich sieht das Elstner. Die ersten rund 50 Mitarbeiter habe er selbst eingestellt, denn gerade am Anfang komme es darauf an, die Weichen für das spätere Wachstum richtig zu stellen.

„Bei den ersten zehn, zwanzig Mitarbeitern haben wir sehr darauf geachtet, wer passt und wer kann das Team später ggf. auch leiten“, erzählt Elstner. Allzu häufig würden Leute zu Führungskräften ernannt, die das Zeug dazu nicht mitbringen. „Anschließend versucht man dann, die Führungskompetenz mit Schulungen und Trainings in die Leute hineinzupressen. Die Illusion muss ich nehmen: Es gibt einfach Leute, die sind dafür geeignet, und Leute, die sind nicht so gut dafür geeignet.“

Aus diesen Gründen legt auch Freigeist Capital bei seinen Portfoliounternehmen großen Wert auf den frühzeitigen Aufbau der HR. „Eine der ersten Hires ist meist eine Recruting-Position“, meint Hebborn. „People ist eigentlich der Hebel zur Skalierbarkeit.“

„Ich glaube auch, dass sich das Jobprofil des Gründers verändert, dass du eben nicht nur das Produkt baust, sondern auch viel Zeit aufs Hiring verwendest“, ergänzt Hebborn.

5. Webinar „Skalierung: Kinderstube für Einhörner“

In unserem Webinar diskutieren Experten und Praktiker die Herausforderungen der Skalierung: Niklas Hebborn, Partner von Freigeist Capital, die Venture Capital-Gesellschaft von Frank Thelen; Fabian Silberer, Mitgründer und CEO von sevDesk, sowie Hans Elstner, Gründer und CEO der rooom AG.

6. Weitere Faktoren zur Skalierung

Hohe Automatisierung: Digitale Geschäftsmodelle drängen sich durch ihren hohen Automatisierungsgrad geradezu auf. Denn wenn ein Geschäftsmodell zur Skalierung keine oder wenig zusätzliches Personal bedarf, liegt der Break-Even-Point nah.

Asset Light: Geschäftsmodelle mit verhältnismäßig geringem Investitionsbedarf, neudeutsch „Asset Light“, lassen sich leichter skalieren als solche mit hohen Anfangsinvestitionen. Wenn beispielsweise immer wieder teure Produktionsanlagen gekauft werden müssen, um weiteres Wachstum zu ermöglichen, dann kann der Finanzbedarf die Möglichkeiten eines Start-ups schnell übersteigen. Kein Wunder, dass digitale Geschäftsmodelle und Software-Unternehmen im Start-up-Bereich weit verbreitet sind.

Geringe Fix- und hohe variable Kosten: Skalierbare Geschäftsmodelle zeichnen sich oft durch geringe Fixkosten (wie Anlagevermögen und Personalkosten) und hohe variable Kosten (z.B. für das Material) aus. Schließlich sollten die variablen Kosten deutlich unter den damit verbundenen Erträgen liegen, weshalb so ein positiver Cashflow erzeugt wird.

Fokus auf Vertrieb und Marketing: Wenn das Geschäftsmodell leicht skalierbar ist, können mehr Mittel in Vertrieb und Marketing eines Produktes investiert werden, was wiederum das Wachstum beschleunigt. Aus diesem Grunde wurden auch die sogenannten „Three Engines of Growth“ entwickelt, wobei es sich eigentlich lediglich um ein Marketingkonzept handelt.

Eine wichtige Skalierungsmaßnahme ist die Investition ins Marketing. Ein erheblicher Teil wird auch in die Entwicklung der Plattform fließen. Alles, was in Richtung Automatisierung und Skalierung getan werden kann, das werden wir tun. Wir setzen auch auf die Übersetzung und Internationalisierung der Plattform.

Hans Elstner, Vorstandsvorsitzender und Mitbegründer der rooom AG

7. Die drei Engines of Growth

Start-up-Guru Eric Ries führt in seinem „Lean Start-up-Modell" drei Wachstumsmotoren an, mit denen sich ein Unternehmen skalieren lässt:

Viral Engine of Growth:

Wenn ein Produkt tatsächlich den Nerv des Marktes trifft, dann empfehlen es Kunden weiter und befeuern somit das Wachstum des Kundenstammes. Dies kann auf Mund-zu-Mund-Propaganda beruhen, aber im digitalen Zeitalter spielen die Sozialen Netzwerke hier meist eine größere Rolle. Wenn ein Kunde z.B. rein rechnerisch für 1,3 Neukunden sorgt, dann handelt es sich um ein exponentielles Wachstum, das seit der Corona-Pandemie einschlägig bekannt ist. Aus Start-up-Sicht ist das natürlich das beste, weil eben kostengünstigstes Szenario.

Sticky Engine of Growth:

Die Idee ist denkbar simpel: Ein Start-up sollte die Absprungsquote von Kunden, neudeutsch auch als „Churn Rate“ bekannt, möglichst niedrig halten. Damit wächst ein Unternehmen selbst dann, wenn die Zahl neu hinzukommender Kunden gering ausfällt. Klar, wem die Kunden in Scharen weglaufen, der muss auch Scharen von Neukunden generieren. Von daher sollte jeder Start-up-Gründer von Beginn an auf Kundenzufriedenheit achten.

Paid Engine of Growth:

Natürlich lässt sich Wachstum auch mit kräftigen Investitionen ins Marketing erzeugen. Freilich gilt es dabei auf zwei Werte zu achten: Das eine sind niedrige Kosten für die Kundenakquise (Customer Acquisition Costs, CAC) und möglichst hohe Erträge, die ein Kunde im Laufe der Jahre generiert (High Customer Lifetime Value, CLV). Die Kosten der Kundenakquise muss also deutlich unter den Erträgen der langfristigen Kundenbindung liegen.

8. Fazit: Frühzeitig an die Skalierung denken

Obgleich die Skalierung erst nach dem erfolgreichen Product-Market-Fit und meist auch erst nach der Series A-Finanzierung bezahlbar ist, sollten die Gründer schon frühzeitig überlegen, ob ihr Geschäftsmodell skalierbar ist. Immer wieder klagen Investoren, dass Gründer zwar eine technisch gewiefte Lösung für ein Problem bieten, aber nicht genügend darüber nachgedacht haben, wie sich damit Geld verdienen lässt.

Auch die Skalierbarkeit des Geschäftsmodells gehört zu jedem Businessplan eines Start-ups − auch wenn sich daran später oft noch einiges ändern sollte. Dies ist allein schon nötig, um das Herz der Venture Capital-Investoren zu gewinnen. Schließlich wollen sie in ein Wachstumsunternehmen investieren − und die Skalierbarkeit eines Geschäftsmodells ist nichts Geringeres als die Voraussetzung für Wachstum.

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