Wann brauche ich einen CFO?

​​​​​​​Finanzabteilung professionell aufbauen

Der Chief Financial Officer (CFO) leitet die Finanzabteilung. Da sich fast alles in einem Unternehmen ums liebe Geld dreht, handelt es sich um eine der wichtigsten Positionen in einer Firma.

Doch viele Start-up-Gründer kommen direkt von der Universität, haben oft einen naturwissenschaftlich-mathematischen Hintergrund und bringen wenig Verständnis für Rechnungswesen und Controlling mit. Aber irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, an dem jedes Start-up einen CFO anheuern und eine Finanzabteilung aufbauen muss. Wir zeigen, wann der rechte Zeitpunkt gekommen ist und wie das funktioniert.

CFO
Auch bei Start-ups muss die Kasse stimmen. Nur eine Aufgabe eines CFO. (Photo by Alvaro Reyes on Unsplash)

1. Wofür der CFO zuständig ist

Prinzipiell verantwortet der CFO das gesamte Rechnungswesen. Controlling, Financial Modelling, die rechtzeitige (!) Erstellung des Jahresabschlusses, die Finanzierung und die Liquiditätsplanung. So viel zur Theorie. Doch in der Praxis steht bei Start-ups erst einmal die Liquiditätsplanung im Vordergrund.

Gerade bei Start-ups, die noch nicht an den Markt gegangen sind und sich über Fördermittel wie EXIST oder über Business Angels finanzieren, steht zunächst die Einhaltung des Budgets im Vordergrund. Die erste zentrale Frage lautet: Wie viel Geld gebe ich pro Monat aus, was als „Cash-Burn-Rate“ bekannt ist. Die zweite resultiert daraus und heißt: Wie lange reicht mein Geld noch, die sogenannte „Cash-Runway“.

Um dies im Blick zu behalten, gibt es Liquiditätsplanungstools wie das von Agicap. „Für junge Unternehmen ist die Liquidität die zentrale Kenngröße“, betont Lisa Meissner, CFO von Mersor. „Für Mittelständler und Großunternehmen ist das anders.“

Doch mit den steigenden Zinsen und der schwierigeren Wirtschaftslage findet gerade ein Paradigmenwechsel im Start-up-Universum statt. Angesichts der Krise verlagere sich der Fokus vom Umsatzwachstum auf Profitabilität. „Profitabilität spielt selbst bei Early-Stage-Start-ups eine zunehmende Rolle“, beobachtet Meissner. „Umsatz ist nicht länger die wichtigste Kennzahl – aber immer noch eine wichtige.“

Dies sind nicht die einzigen Besonderheiten, die CFOs bei Start-ups erwarten. Als junge Unternehmen tendieren Start-ups dazu, auch finanzabteilungsfremde Aufgaben wie die Verantwortung für Human Resources oder die IT-Infrastruktur ins CFO-Aufgabenspektrum zu integrieren. Laut Meissner herrsche bei Start-ups die Tendenz, sämtliche interne Prozesse unter dem CFO zu bündeln.

Lisa Meissner

Profitabilität spielt selbst bei Early-Stage-Start-ups eine zunehmende Rolle.

Lisa Meissner, CFO von Mersor

2. Wann ein Start-up einen CFO braucht

Laut Claus Küster, CFO bei air up, hängt dies u. a. vom Gründerteam ab. Sofern ein Gründer BWL studiert hat, könne ein Start-up womöglich erst einmal auf einen CFO verzichten. Anders sehe es aus, wenn es im Gründerteam niemanden mit substanziellen kaufmännischen Kenntnissen gibt oder wenn eine große Finanzierungsrunde ansteht.

Aus diesem Grund hält Küster die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für einen CFO für falsch gestellt. „Die Frage ist nicht: Wann brauche ich einen CFO, sondern warum brauche ich einen CFO“, sagt er und ergänzt augenzwinkernd: „Der CFO kommt in der Regel nie zu früh und stets zu spät.“

Tatsächlich scheint der Zeitpunkt für einen CFO gekommen zu sein, sobald entweder der erste Investor mit einer hohen Summe einsteigt oder aber ein höherer Kredit aufgenommen wird. Letzteres war bei Wildling Shoes der Fall. Anders als sonst üblich hat sich das Top 50 Start-up keinen Investor gesucht, sondern sich weitgehend selbst finanziert. Dennoch hat Wildling Shoes auch einen Kredit über die ERP-Fördergelder wahrgenommen. Dabei handelt es sich um einen Förderkredit der bundeseigenen KfW Bank. Laut Wildling Shoes-CFO Oliver Friedrich war dies der Punkt, an dem auch Wildling einen CFO brauchte.

Der CFO kommt in der Regel nie zu früh und stets zu spät.

Claus Küster, CFO von air up

3. Welche Rolle ein CFO bei einem Start-up spielt

Wenn ein CFO bei einem Start-up anfängt, muss er erst einmal Aufbauarbeit leisten. Dies allerdings nicht nur im administrativen Sinne des Wortes. „Die Aufgabe des CFO ist, Struktur und Organisation zu schaffen, aber auch Vertrauen zu bilden und zu moderieren, dass zahlenbasierte, faktenbasierte Entscheidungen auf Vertrauensbasis getroffen werden können“, erläutert Küster, der schon bei mehreren Unternehmen als CFO tätig war.

Für Meissner besteht der Reiz der Finanzabteilung darin, dass in ihr alles zusammenfließt. „Jede Aktivität, jedes Projekt verursacht früher oder später irgendwelche Kosten“, kommentiert die Mersor-Finanzchefin.

Die Finanzabteilung schaffe die Grundlagen, damit ein Unternehmen überhaupt wachsen könne. Wenn plötzlich eine große Steuernachzahlung ins Haus flattert und die Liquidität gefährdet ist, dann helfe kein noch so gutes Produkt aus der Misere.

„In der CFO-Rolle kann man sehr viel bewegen“, meint auch Friedrich. Ein CFO müsse indes keine Vision skizzieren. Das obliege dem CEO. Vielmehr müsse er ein datengetriebenes Mindset mitbringen.

Oliver Friedrich

In der CFO-Rolle kann man sehr viel bewegen.

Oliver Friedrich, CFO von Wildling Shoes

4. Was einen guten CFO auszeichnet

Doch was muss ein CFO mitbringen, um erfolgreich zu sein? Das sind zunächst einmal Fachkenntnisse in Finance. „Was ich einem guten CFO empfehlen würde, ist nicht Buchhaltung zu lernen, sondern Controlling“, meint Küster. Ein CFO müsse in der Lage sein, die erforderlichen Finanzkennzahlen zu generieren, auszuwerten und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Dies müsse ein CFO bereits entweder im Studium oder in vorhergehenden beruflichen Stationen gelernt haben. „Mal ehrlich: Wenn einer auf die Rolle des CFO zusteuert und dann erst Controlling lernen muss, dann ist es zu spät.“

Laut Küster kommt einem CFO gerade bei Start-ups eine besondere Rolle zu. Bei schnell wachsenden Unternehmen bestehe die Gefahr, dass die Struktur hinterherhinke. In diesem Fall müsse der CFO gegensteuern. „Ein guter CFO hält die Balance, das Geschäft nicht zu verlangsamen, abzubremsen oder abzuwürgen, sondern eher zu beschleunigen und gleichzeitig einen Unterbau einzuziehen“, betont Küster.

Eine zentrale Aufgabe bestehe darin, durch den Aufbau von Strukturen den Investoren zu signalisieren, dass das Unternehmen kompetent geführt wird. Auf diese Weise werde Vertrauen erworben.

So wichtig die Rolle eines CFO in einem Unternehmen auch ist, gibt es doch Grenzen. Einen CEO könne ein CFO keinesfalls ersetzen, meint Meissner: „Zahlen sind schön und gut, aber es gibt noch andere Komponenten, die ins Strategische gehen und sich finanziell nicht abbilden lassen.“

5. Unser 3. Webinar zum Nachschauen: „CFO: Finanzabteilung richtig aufbauen"

Dieser Artikel basiert teilweise auf unserem 3. Webinar. Dort diskutieren Experten über die Rolle sowie Aufgaben des CFOs im Unternehmen, in welchem Verhältnis er zum CEO steht, welche Tools ihm helfen und welche Rolle weiche Faktoren spielen.

Unsere Experten sind: Lisa Meissner, Co-Founder & CFO bei MERSOR, Helen Vesper, Head of Business Development bei Agicap Deutschland, Claus W. Küster, Head of Finance bei air up sowie Dr. Oliver Friedrich, CFO bei Wildling Shoes, einem Top 50 Start-up.

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