Die Tücken mit dem scheinbar unverbindlichen Letter of intent

Was ein Letter of Intent ist und worauf Start-up-Gründer achten müssen.

Der „Letter of intent“ (LoI) oder das „Memorandum of understanding“ (MoU) stellt laut Rechtsanwalt Sebastian Frech von der Kanzlei Norton Rose Fulbright in München nichts anderes als einen Vorvertrag dar. Häufig wird ein LoI im Vorfeld eines Beteiligungsvertrags eingesetzt, der dann rechtsverbindlich ist. Doch auch wenn ein LoI unverbindlich erscheint, lauern hier Fallen und Missverständnisse. Wir zeigen, worauf Gründer achten müssen und geben eine Vorlage für einen „Letter of intent“.

Letter of Intent
Ein Letter of intent hat's in sich. (Photo by Bogomil Mihaylov on Unsplash)

1. Unverbindlich oder verbindlich. Was gilt?

Der „Letter of intent“ (LoI) stellt eine Absichtserklärung zum Aushandeln eines förmlichen Vertrags dar, wobei es sich um so unterschiedliche Dinge wie die Kooperation mit einem etablierten Unternehmen zum Bau eines Prototypen oder um den Einstieg eines Investors handeln kann. Obgleich der LoI somit dem Geiste nach unverbindlich ist, enthält er auch verbindliche Regelungen meist zu den Punkten Exklusivität, Vertraulichkeit und anzuwendendem Recht und zum Gerichtsstand.

„Dabei sollte der LoI explizit benennen, welche seiner Regelungen unverbindlich und welche verbindlich sein sollen“, empfiehlt Frech. „Die unverbindlichen Regelungen dienen im LoI dazu, den aktuellen Verhandlungsstand festzuhalten."

Weiter rät Frech, auch die unverbindlichen Regelungen genau durchzulesen und in den LoI Verhandlungen ernst zu nehmen. „Wenn man einer unverbindlichen Regelung zugestimmt hat und dann nicht möchte, dass diese in den Hauptvertrag übernommen wird, steht man schon vor einem sehr steilen Berg“, warnt Frech. „So etwas kann die eigene Verhandlungsposition schwächen und es kann sehr schwerfallen, aus einer solchen Situation gesichtswahrend herauszukommen.“

2. Zur Terminologie: Was ist ein ...

Memorandum of Understanding (MoU)

LoI und Memorandum of Understanding (MoU) werden in Deutschland als Synonyme verwendet. Das MoU stammt aus dem US-Rechtskreis, was seine häufige Verwendung erklärt. Rechtlich ist es nebensächlich, wie ein LoI genannt wird. Entscheidend ist der Inhalt.

Non-Disclosure Agreement (NDA) / Confidential Disclosure Agreement

Auch die Begriffe Non-Disclosure Agreement (NDA) oder Confidential Disclosure Agreement (CDA) stammen aus den USA. Sie bezeichnen Vertraulichkeitserklärungen, damit keine Interna an Dritte weitergegeben werden.

Instruction to Proceed (ItP)

Bei der Instruction to Proceed (ItP) handelt es sich ebenfalls um ein Synonym für einen LoI. Darin werden Bestimmungen zu Vertraulichkeit, Informationspflichten und exklusiven Verhandlungen getroffen.

3. Die feinen Unterschiede bei der Exklusivität

Ein LoI enthält regelmäßig die Klausel, dass die Verhandlungen zwischen dem Start-up und einem potenziellen Vertragspartner für einen bestimmten Zeitraum exklusiv stattfinden. Dabei werden laut Frech „Verhandlungsexklusivität“ und „Abschlussexklusivität“ unterschieden. Bei der Abschlussexklusivität versichert ein Start-up lediglich, dass es bis zum Zeitpunkt X keine entsprechende vertragliche Bindung mit jemand anderem eingeht. „Das ist die mildere Form, weil so ein Start-up gleichzeitig mit anderem Parteien verhandeln kann“, erläutert Frech.

Bei der „Verhandlungsexklusivität“ sichert ein Start-up hingegen zu, in einem bestimmten Zeitraum keine relevanten Verhandlungen mit einer dritten Partei zu führen. Da ohne Verhandlungen ein alternativer Abschluss von komplexeren Verträgen kaum denkbar ist, ist die „Abschlussexklusivität“ tatsächlich in der „Verhandlungsexklusivität“ enthalten. „Es handelt sich also um die strengere Form der Exklusivität“, resümiert Frech. Soweit sich Start-ups in der schwächeren Verhandlungsposition befinden, lasse sich die mildere Form der „Abschlussexklusivität“ selten im LoI durchsetzen. Daher sollte der Exklusivitätszeitraum mit Bedacht gewählt werden.

Wenn man einer unverbindlichen Regelung zugestimmt hat und dann nicht möchte, dass diese in den Hauptvertrag übernommen wird, steht man schon vor einem sehr steilen Berg.

Sebastian Frech, Rechtsanwalt

4. Das Thema Vertraulichkeit im Letter of intent

Einen weiteren wichtigen Punkt stellt das Thema Vertraulichkeit in einem Letter of intent dar. Nach Frechs Erfahrung wird dieser Aspekt auch oft bereits vor dem LoI in einer separaten Vertraulichkeitsvereinbarung („non-disclosure agreement", NDA) geregelt. Die eigentliche Frage bestehe in den Rechtsfolgen, wenn vertrauliche Informationen entgegen der vertraglichen Abrede verbreitet oder für eigene Zwecke genutzt werden. In einem solchen Falle könne das betroffene Unternehmen Schadensersatz verlangen.

Doch diesen zu erhalten, fällt schwer, denn die verletzte Partei müsse nicht nur den Bruch der Vertraulichkeit nachweisen, sondern auch die Höhe des Schadens. „Da dies regelmäßig schwerfällt, handelt es sich bei der Vertraulichkeitsklausel meist um ein stumpfes Schwert“, kommentiert Frech.

Um daraus ein tatsächlich scharfes Schwert zu schmieden, kann eine Vertragsstrafe vereinbart werden, die beim Bruch der Vertraulichkeit eingreift. Aber auch hier gilt: Da sich Start-ups regelmäßig in der schwächeren Verhandlungsposition befinden, bedarf es starker Argumente, z. B. die besondere Bedeutung der zu Verfügung zu stellenden Informationen.

5. Das anzuwendende Recht und der Gerichtsort

Oft erhält ein LoI Vorgaben, nach welchem Recht und an welchem Gerichtsort ein möglicher Rechtsstreit ausgetragen wird. Laut Frech stellt dies z. B. bei Entwicklungs- bzw. „Intellectual Property"-Kooperationen regelmäßig den Sitz des stärkeren Vertragspartners dar, was in den seltensten Fällen das Start-up ist; anders bei einer Finanzierungsrunde, hier ist der Gerichtsstand regelmäßig am Sitz des Start-ups.

Besonders wichtig wird diese Klausel, wenn das deutsche Start-up, z. B. aus München oder Frankfurt, mit einem Vertragspartner in London oder New York kooperieren möchte; dann kann es natürlich passieren, dass man sich auf englisches oder US-Recht einlassen muss und schnell  grenzüberschreitenden Rechtsrat benötigt. „In diesen Fällen sind internationale Kanzleien bzw. Kanzleinetzwerke sicherlich am besten aufgestellt, da der Ansprechpartner im Inland schnell ein Team an geeigneten Rechtsberatern zusammenstellen kann“, sagt Frech. „Vor allem auch im Hinblick auf notwendige Beratungskosten ist ein Ansprechpartner im Inland meist sinnvoll.“

6. Abwerbeverbote im Letter of intent

Gelegentlich enthält ein LoI auch ein Abwerbeverbot. Mit diesem kann ein Start-up vorsorgen, dass keiner seiner Kernmitarbeiter von dem Kooperationspartner abgeworben und damit unternehmenswichtiges Know-how verloren geht. „Doch auch wenn solche Abwerbeverbote teils ebenso als stumpfes Schwert gelten, haben sie zumindest eine gewisse abschreckende Wirkung“, sagt Frech.

7. Vorlage für einen Letter of intent

  1. Vertragspartner: Start-up X und Kooperationspartner Y
  2. Präambel: Aufnahme von Verhandlungen
  3. Gegenstand des Hauptvertrags: Beispielsweise Entwicklung eines Prototyps oder Investition.
  4. Zeitplan: Von wann bis wann gilt der LoI und in welchen Zeitrahmen sollen die Verhandlungen abgeschlossen sein.
  5. Vertraulichkeit (oft in separater Vertraulichkeitserklärung): Welche Daten oder Informationen werden zur Verfügung gestellt? Welche Rechtsfolgen drohen beim Bruch der Vertraulichkeit? Gibt es eine Vertragsstrafe?
  6. Schlussbestimmungen: Gilt deutsches oder ausländisches Recht? Vor welchem Gericht wird im Streitfall verhandelt?

8. Fazit: Worauf Gründer besonders achten müssen

Start-up-Gründer sollten sich von der vermeintlichen Unverbindlichkeit eines Letters of intent nicht täuschen lassen und stattdessen jede Passage genau durchlesen. Dabei gilt es besonders darauf zu achten, welche Klauseln tatsächlich verbindlich und unverbindlich sind und dies im Zweifelsfall präziser zu formulieren. Selbst die unverbindlichen Inhalte lassen sich später oft kaum noch aus dem Hauptvertrag heraushalten.

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