Die hohe Kunst des Vesting für Start-up-Gründer

So mancher Gründer unterschätzt die Risiken in den Vesting-Klauseln und vergisst sogar das Founder-Vesting.

Beim Vesting geht es buchstäblich um das Geld der Gründer. Es bestimmt, wie hoch die Anteile eines Gründers beim Verlassen des Start-ups ausfallen. Wer sich also mit dem Gedanken trägt, ein erfolgreiches Start-up aufzubauen, kann sich nicht früh genug mit diesem Thema beschäftigen. Es lauern Fallstricke, die nicht immer gleich ins Auge fallen.

Vesting
Wenn ein Gründer das Start-up vorzeitig verlässt, kann es für ihn teuer werden. (Photo by Mantas Hesthaven on Unsplash)

1. Der Zweck des Vesting

Mit dem Vesting – englisch für „übertragen“ – wird geregelt, was mit den Anteilen eines Gründers geschieht, sobald er das Start-up verlässt. Das ist nicht allein für die Gründer wichtig, sondern auch für die Investoren. Denn ein Investor steckt sein Geld nicht nur in ein Unternehmen mit einer guten Geschäftsidee, sondern auch in das Gründerteam. Denn regelmäßig sind es die Fähigkeiten und Motivation der Gründer, die über Wohl oder Weh eines Start-ups entscheiden.

„Überspitzt ausgedrückt möchte kein Investor, dass einer der Gründer nach nur kurzer Zeit aussteigt, nach Hawaii zieht und die Beine hochlegt und dennoch seine Unternehmensanteile behält“, resümiert Gesine von der Groeben, Rechtsanwältin bei der Kanzlei Dentons in Frankfurt. Daher sehen die Beteiligungsverträge bzw. Term Sheets, die zwischen Gründern und Investoren geschlossen werden, üblicherweise einen bestimmten Vesting-Zeitraum vor. Wenn ein Gründer innerhalb dieses Zeitraums seine aktive Rolle im Unternehmen aufgibt, kann er Anteile verlieren.

2. Der Grundgedanke des Vesting

In den USA, wo Start-ups meist als Aktiengesellschaften organisiert sind, ist es üblich, dass sich die Gründer im Laufe der Jahre ihre Anteile erdienen. Da die meisten Start-ups in Deutschland aber die Rechtsform der GmbH wählen, ist dieser Weg hierzulande kaum begehbar. Denn zur Übertragung von Gesellschaftsanteilen ist bei einer GmbH der Gang zum Notar Pflicht. „Das ist mit ganz erheblichen Kosten verbunden“, warnt von der Groeben. Stattdessen habe sich in Deutschland das „Reverse Vesting“ durchgesetzt.

Nach dem „Reverse Vesting“ halten die Gründer ihre Unternehmensanteile von Anfang an; in der Vesting-Klausel wird hingegen geregelt, wann und unter welchen Umständen sie diese ggf. wieder abgeben müssen und in welchem Zeitraum und unter welchen Bedingungen die Anteile „unverfallbar“ werden. Zwar können Investoren und Gründer Zeitraum und Bedingungen selbst ausgestalten, dennoch haben sich Marktstandards etabliert.

3. Die Vesting-Period

Laut von der Groeben wird häufig ein Vesting-Zeitraum von vier Jahren gewählt, in dem dem Gründer jeden Monat 1/48el seiner Anteile als „unverfallbar“ gutgeschrieben werden. Nach Ablauf dieser Vesting Period sind also seine sämtlichen Anteile unverfallbar und der Gründer kann ohne Verluste das Unternehmen verlassen.

Obgleich dieser Zeitraum mittlerweile als Marktstandard für Vesting Periods gilt, sind andere Fristen durchaus möglich. „Viele Corporate Investoren, aber auch Venture Capital-Fonds wollen einen längeren Zeitraum und sehen beispielsweise fünf Jahre vor“, berichtet von der Groeben. Viele ließen sich dann aber auf vier Jahre herunterhandeln. „Aus Gründersicht ist natürlich ein kürzerer Zeitraum besser“, so von der Groeben weiter. „Sie argumentieren meist, dass sie schon drei Jahre oder so für das Start-up gearbeitet haben – oft kostenlos.“

Bei der Vesting-Regelung müssen Gründer darauf achten, dass ihnen die Anteile tatsächlich monatlich also 1/48el im Falle einer vierjährigen Vesting-Period als „unverfallbar“ gutgeschrieben werden. Bei einer jährlichen Regelung würde ein Gründer, der z. B. nach zwei Jahren und neun Monaten geht, lediglich 24/48el statt 33/48el erhalten, rechnet von der Groeben vor.

4. Die Cliff-Period

Üblicherweise wird auch ein sog. „Cliff“ – häufig ein Jahr – vereinbart. Der Cliff-Period zufolge verlieren Gründer alle Anteile, sofern sie innerhalb des ersten Jahres nach dem Einstieg des Investors ihre aktive Rolle für das Unternehmen aufgeben. „Fairerweise sollten ihnen nach Ablauf des Cliff dann alle Anteile zugeschrieben werden, die innerhalb dieses Jahres gevested hätten“.

Überspitzt ausgedrückt möchte kein Investor, dass einer der Gründer nach nur kurzer Zeit aussteigt, nach Hawaii zieht und die Beine hochlegt und dennoch seine Unternehmensanteile behält.

Gesine von der Groeben, Rechtsanwältin bei Dentons

5. Was Founder-Vesting ist

Während Vesting-Klauseln zwischen Gründern und Investoren längst Standard sind, haben lediglich bei schätzungsweise jedem fünften Start-up die Gründer untereinander eine Vesting-Regelung getroffen, was als Founder-Vesting bezeichnet wird. „Viele kennen diese Möglichkeit nicht und gehen nicht frühzeitig zum Anwalt, um sich die Kosten zu sparen“, sagt von der Groeben.

Doch ein Founder-Vesting ist überaus sinnvoll. „Es kommt häufig vor, dass sich das Start-up-Team im Laufe der Zeit in unterschiedliche Richtungen entwickelt“, erzählt von der Groeben. Dies sei auch kaum verwunderlich; schließlich würden die wenigsten Geschäftsmodelle nach zwei Jahren noch genauso aussehen wie am Anfang. Außerdem gebe es gute Gründe wie z.B. Krankheit, um aus einem Gründerteam auszuscheiden.

Obendrein könne ein Founder-Vesting ggf. die Verhandlungen mit einem Investor positiv beeinflussen. „Die Gründer können dann immer sagen: Sehen Sie, wir haben das schon berücksichtigt“, ergänzt von der Groeben. Das zeugt von Kompetenz und Weitblick.

6. Die Bewertungsfrage beim frühen Ausscheiden

Auf die Bewertungsfrage gibt es laut von der Groeben zwei Grundantworten: Zunächst kann sich der Preis an der Bewertung der letzten Finanzierungsrunde orientieren. „Dann bleibt nur noch zu hoffen, dass diese nicht allzu lange zurückliegt“, kommentiert von der Groeben. Schließlich sollte der Wert eines Start-ups im Laufe der Jahre steigen.

Es besteht aber auch die Möglichkeit, dass der Beteiligungsvertrag vorsieht, dass ein „objektiver Dritter“ den Unternehmenswert ermittelt, sofern sich die Parteien nicht auf einen Wert einigen können. In der Praxis handelt es sich dabei häufig um einen von der Wirtschaftsprüferkammer bestellten Wirtschaftsprüfer. In diesem Fall müssten auch die zu verwendenden Bewertungsmethoden ebenso vertraglich fixiert werden wie die Kostenübernahme. Aber auch eine Verbindung der beiden Grundmodelle kommt laut von der Groeben in der Praxis vor.

7. Der Unterschied zwischen Good und Bad Leaver

Die Gründe, weshalb ein Founder das Start-up verlässt, sind denkbar vielfältig. Unterschieden werden indes zwei Typen: Der Good und der Bad Leaver. Als Bad Leaver werden beispielsweise alle Sachverhalte gewertet, die eine fristlose Kündigung rechtfertigen. „Das ist z.B. der Fall, wenn ein Gründer in die Unternehmenskasse gegriffen hat“, kommentiert von der Groeben. Einen Good-Leaver-Fall stellt es hingegen dar, wenn einem Founder auf Initiative der Investoren „grundlos“ gekündigt worden sei; auch diesen Fall gelte es zu berücksichtigen.

Bei einem Good Leave handelt es sich darüber hinaus häufig um legitime Gründe wie etwa lang andauernde Krankheit, Berufsunfähigkeit oder Tod. „Ja, auch der Todesfall sollte berücksichtigt werden und was dann mit den Anteilen des Verstorbenen geschieht“, ergänzt von der Groeben.

„Der Bad Leaver-Fall hat meist den Verfall sämtlicher Anteile, auch der gevesteten zur Folge sowie eine so geringe Vergütung dafür wie möglich", erläutert die Rechtsanwältin. „Der Good-Leaver-Fall kann den Verfall nur der noch nicht gevesteten Anteile bedeuten oder aller Anteile, in jedem Fall bringt er aber eine höhere Vergütung für die verfallenden Anteile mit sich, meist den Verkehrswert."

8. Accelerated Leave

Start-ups arbeiten darauf hin, ihr Unternehmen irgendwann einmal möglichst gewinnbringend zu verkaufen, was im Branchenjargon auch als „Exit“ bekannt ist. Es kann natürlich vorkommen, dass der Exit bereits innerhalb des Vesting-Zeitraums erfolgt. Für diesen Fall sollte vereinbart werden, dass sämtliche Anteile – und nicht nur die „unverfallbaren“ – berücksichtigt werden, betont von der Groeben – das sogenannte „Accelerated Vesting“.

9. Fazit zum Vesting

Beim Vesting-Zeitraum gilt aus Gründersicht die Regel: „Je kürzer, desto besser“, sagt die Anwältin. Als Marktstandard haben sich allerdings vier Jahre mit einem „Cliff“-Jahr am Anfang durchgesetzt. Mit einer Vesting-Klausel der Gründer untereinander lässt sich darüber hinaus später viel Ärger ersparen. Schon allein deshalb sollte das Vesting frühzeitig geregelt werden.

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