„Der Entrepreneur ist so etwas wie ein Trüffelschwein“

Entrepreneurship: Bringt ihr das Zeug zum richtigen Unternehmer mit?

Die meisten Start-up-Gründer stammen nicht etwa aus den betriebswirtschaftlichen, sondern aus den technisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Doch was macht einen Unternehmer aus, wenn es keine BWL-Kenntnisse sind? Was ist Entrepreneurship überhaupt und wie wird man ein Entrepreneur? Dazu hat Florian Komm eine dezidierte Meinung. Er ist langjähriger Mitarbeiter des inzwischen emeritierten Prof. Günter Faltin von der FU Berlin, der als Entrepreneurship-Experte gilt.

Entrepreneurship
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1. Ein Businessplan ist nicht genug

Üblicherweise empfehlen die Start-up-Fördereinrichtungen der Hochschulen oder die Businessplanwettbewerbe ihre Ideen erst einmal zu einem Businessplan auszuarbeiten. Schon das sieht Komm kritisch: „Ein Businessplan hat sicherlich seine Daseinsberechtigung, doch um ein Allheilmittel handelt es sich nicht. Forschung hierzu zeigt, dass bis zu 70 Prozent der beim Start eines Unternehmens gemachten Grundannahmen nicht stimmen.“ Sein Geschäftskonzept strukturiert zu planen, ist zweifellos wichtig. Doch dazu genüge am Anfang eine Business Model Canvas.

Namentlich vom Finanzplan hält Komm nicht viel: „Ein Finanzplan bei einem Start-up ist schon ein wenig Kaffeesatzleserei.“ Bei Franchisemodellen lasse sich der Aufbau eines Geschäfts zwar eher detailliert planen, bei Start-ups sehe das aber anders aus. Bei ihnen gehe es oft nicht um die Reproduktion eines bewährten Geschäftsmodells, sondern um kreative Zerstörung nach Joseph Schumpeter.

2. 10 Prozent besser oder billiger genügen nicht

Für einen Entrepreneur genüge es nicht, Produkte oder Dienstleistungen anzubieten, die 10 Prozent besser oder günstiger als bereits existierende Angebote sind. Damit könne kein Start-up-Gründer gegen etablierte Player bestehen, die mehr Geld für Marketing, einen bewährten Vertrieb und einen Markennamen besitzen. Ein richtiger Entrepreneur müsse daher größer denken. „Wenn ein Start-up ein Produkt oder eine Dienstleistung auf den Markt bringt, dann muss es doppelt so gut und halb so teuer sein wie die etablierten Player“, sagt Komm.

Entrepreneure müssten ein wirklich bestehendes Problem von potenziellen Kunden lösen, wofür diese auch zu zahlen bereit sind. Die Marktreife einer Geschäftsidee lasse sich mit einem Minimum Viable Product testen.

3. Weg vom Unternehmer als Alleskönner

Natürlich kann ein solcher Vorsprung gegenüber der Konkurrenz nur im Kern des Produktes oder der Dienstleistung erreicht werden. Dagegen sollte ein Entrepreneur möglichst viele Standardaufgaben seines Unternehmens von externen Anbietern, in Komponenten gedacht, erbringen lassen. Für Aufgaben wie Steuerfragen, Lohnbuchhaltung usf. gebe es hochqualifizierte Anbieter oder aber Software-as-a-Service-Lösungen. Meist könnten solche Aufgaben von den Gründern selbst nur schlecht erledigt werden. Dies koste Zeit und Aufwand, der andernorts besser investiert werde. Überdies würde man neben der potenziellen persönlichen Überforderung damit auch beträchtliche Haftungsrisiken vermeiden. „Das Bild des Unternehmers als Alleskönner ist lange überholt“, resümiert Komm.

4. Konzept und Komponenten als Lösung

Bei der Entwicklung des Geschäftsmodells müsse die systematische Erarbeitung einer innovativen Problemlösung im Vordergrund stehen, so dass ein „Entrepreneurial Design“ entstehe, welches die Stärken des Gründers oder des Gründerteams ins Zentrum stelle. Hier sollte dann auch der Kundennutzen und der möglichst dauerhafte Wettbewerbsvorteil liegen. Bei der Entwicklung des Geschäftsmodells und der dazugehörigen Prozesse sollten Komponenten integraler Bestandteil des Ergebnisses sein.

Die Grundannahmen des ersten „Entrepreneurial Designs“ sollten dann möglichst schnell und kostengünstig am Markt getestet werden. Bei diesem Proof of Concept können die Gründer auch noch mal prüfen, welche Teile wirklich über Komponenten bewältigt werden sollten und ob die bisher gewählten Profi-Komponenten auch wirklich passen.

Bei Komponenten, egal ob Standardsoftware, Dienstleister, Lohnabrechnung usf. ist es immer wichtig, mit Profis zusammenzuarbeiten und von deren Know-how zu profitieren.„Wenn Sie eine Leistung nicht besser, schneller und kompetenter machen können als die entsprechenden Komponenten, dann sollten Sie es nicht selbst machen“, empfiehlt Komm.

Wenn das Geschäftsmodell die Kosten der Komponenten nicht tragen könne, dann handle es sich um keine gute Geschäftsidee.

Ein guter Entrepreneur habe mehr mit einem kreativen Künstler als mit einem Absolventen der Business Administration gemein. „Wenn ein Komponist eine Sinfonie kreieren möchte, dann muss er ja auch nicht jedes Instrument perfekt spielen, sondern es in seiner Sinfonie einsetzen können“, sagt Komm.

5. Das Problem mit der Mitarbeiterführung

Ein weiterer Nachteil der Philosophie des Allesselbermachens bestehe in der Personalführung. Wenn jemand viele Aufgaben intern erledigen will, dann schwillt die Teamgröße schnell an, was ganz neue Probleme der Mitarbeiterführung mit sich bringe. „Sie brauchen ein ganz anderes Skillset, wenn Sie ein Team von 20 bis 50 Mitarbeitern führen, als wenn das Team nur aus fünf bis zehn Mitgliedern besteht“, warnt Komm. Ein kleines Team lasse sich von Entrepreneuren auch ohne besondere Personalführungsqualitäten managen. Bei größeren Teams sehe das anders aus. 

Florian Komm

Wenn ein Komponist eine Sinfonie kreieren möchte, dann muss er ja auch nicht jedes Instrument perfekt spielen, sondern es in seiner Sinfonie einsetzen können.

Florian Komm von der Projektwerkstatt Gesellschaft für kreative Ökonomie

6. Mit Komponenten Fixkosten sparen

Überdies lassen sich Komponentenlösungen meist problemlos skalieren oder minimieren. Je nach Bedarf könnten zusätzliche Kapazitäten hinzugebucht oder ein Vertrag rasch gekündigt werden. Wer statt in Komponenten aber alles inhouse aufbaue, komme nicht so schnell aus seinen vertraglichen Verpflichtungen heraus. „Da es sich bei Komponenten um variable und nicht um Fixkosten handelt, bleiben Sie flexibler und agiler“, betont Komm.

7. Gute Entrepreneure und mittelmäßige Ideen

Den bekannten Spruch aus der Business-Angel-Szene: „Eine mittelmäßige Idee mit einem erstklassigen Team ist besser als eine erstklassige Idee mit einem mittelmäßigen Team“, hält Komm für falsch. „Wir können es uns gar nicht leisten, gute Leute auf schlechte Ideen zu setzen.“ 

Die Ära des billigen Geldes habe zu einer Fehlallokation von Ressourcen geführt. Es würden Geschäftsideen verfolgt, die bei höheren Zinssätzen unmöglich wären. Deswegen hält Komm auch die Rückkehr zu einem „vernünftigen Marktpreis für Geld“, den er bei einem Zinssatz von 4 bis 5 Prozent sieht, für überfällig. „Wenn Kapital nicht mehr endlos verfügbar ist, dann müssen sich die Geschäftskonzepte besser rechnen“, meint Komm.

8. „Der Entrepreneur als Trüffelschwein“

Beim Entrepreneur hängt also vieles von einem guten Geschäftskonzept ab. Diese sei gar nicht so schwer zu finden, wie viele meinen. Es herrsche in Deutschland und Europa eine teils unternehmerfeindliche Kultur, die die Entwicklung von wahrer Entrepreneurship behindere. „Der Begriff ‚etwas unternehmen‘ mit ‚kleinem u‘ ist positiv besetzt, dagegen werden ‚Unternehmen‘ mit ‚großem U‘ kritisch gesehen“, erläutert Komm.

Tatsächlich sind Deutschland und Europa voller guter Ideen, ist Komm überzeugt. So gebe es das „Europäische Paradox“. Europa sei bei wissenschaftlicher und technischer Forschung führend, aus denen aber viel zu wenige Geschäftsideen entstünden. Ein guter Entrepreneur zeichne sich dadurch aus, dass er unter den vielen guten Ideen eine passende Geschäftsidee finde und diese systematisch zu einem „Entrepreneurial Design“ entwickelt, das im Einklang mit dem Markt, der Gesellschaft, der Natur und den Werten des Gründers stehen. „Der Entrepreneur ist so etwas wie ein Trüffelschwein“, resümiert Komm.

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