Die Gründe, wieso so viele Start-ups untergehen
Etwa jedes dritte Start-up scheitert. Betroffene und Business Angels erzählen.
Scheitern gehört dazu – zumindest in der Start-up-Branche. Obgleich es keine genauen Statistiken gibt, rechnet die KfW mit dem Untergang etwa jedes dritten Start-ups in den ersten drei Jahren. Doch was sind die Gründe für den Untergang von einst so hoffnungsvollen Unternehmen? Wir haben einen Gründer befragt, der selbst sein Unternehmen liquidieren musste, und Business Angel Oliver Gosemann aus Forst (Baden), der sagt: „Ich habe schon einige Untergänge miterlebt.“
Inhalt: Die wichtigsten Gründe fürs Scheitern
1. Das Team
Über den Erfolg eines Start-ups entscheidet nach Gosemanns Erfahrung maßgeblich die Qualität des Gründerteams. Bei technologieorientierten Start-ups würden sich oftmals zwei oder drei Gründer von der Uni kennen und hätten Ingenieurs-, Naturwissenschaften oder Informatik studiert. „Denen fehlt häufig ein Vertriebsmann“, meint Gosemann. Es wäre dabei gar nicht so leicht, eine passende Vertriebsperson zu finden. „Die DNA eines Nerds und eines Vertriebsmenschen ist oft sehr verschieden.“ Dennoch sei ein solcher Gründungspartner für den Erfolg eines Start-ups entscheidend.
Zweitens müssten die Gründer in der Lage sein, mit Rückschlägen und Krisen umzugehen, wie sie bei fast jedem Start-up vorkämen. Sie müssten sich durchbeißen können. „Lieber ein erstklassiges Team mit mittelmäßiger Idee als eine erstklassige Idee mit mittelmäßigem Team“, sagt Gosemann. Dies sehen auch andere Business Angel so.
2. Das Scheitern der Geschäftsidee
Bei technischen Start-ups müssen regelmäßig gewisse Ziele in der Entwicklung erreicht werden, bevor das Produkt auf dem Markt reüssiert. Ein Gründer, der anonym bleiben will, erzählt, wieso er und seine Co-Founder die Notbremse ziehen mussten.
Um mit dem Produkt in den Markt zu starten, benötigte ihr Start-up ein Material, welches bestimmte technische Eigenschaften mitbringt und gleichzeitig recht günstig ist. „Uns wurde klar, dass wir die benötigten Parameter mit dem beabsichtigten Material nicht erreichen würden“, erläutert der Gründer. Damit wurde nicht nur ein mit den Investoren vereinbarter Meilenstein gerissen, sondern es war völlig unklar, ob und wann man ein Material mit den geforderten Eigenschaften finden würde.
Dabei war das Start-up eigentlich schon auf einem guten Weg. „Wir hatten drei Venture Capital-Geber und auch erst die Hälfte der Gelder abgerufen“, erinnert sich der Gründer. Da das Risiko zu hoch war, habe man dennoch notgedrungen die Notbremse gezogen. „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“, kommentiert der Gründer. „Es kommt sehr häufig vor, dass die Projekte einfach zu komplex sind, um an den Markt zu gehen“, ergänzt der Gründer, der weiterhin in der Start-up-Szene arbeitet. Aus heutiger Sicht hätte man noch mehr in die Entwicklung der Grundlagen investieren müssen, bevor man an eine Skalierung denken konnte.
Lesetipp
Um eine Geschäftsidee schnell und kostengünstig zu testen, haben sich das Konzept des Minimum Viable Product und das Lean Start-up-Management bewährt.
3. Ein zu ambitionierter Businessplan
Wenn Gosemann Businesspläne von Start-ups in die Hand bekommt, dann sind diese meist sehr ambitioniert und leider oft auch zu ambitioniert. „Die Prognosen gleichen alle einem Hockeystick“, lacht der Business Angel. Wenn dann Meilensteine gerissen wurden und die Finanzierung zu kurzfristig organisiert ist, gerate so manches Start-up ins Straucheln. Nach langjährigen Erfahrungen diskontiert Gosemann regelmäßig den veranschlagten Unternehmenswert, um dem Start-up beim Verfehlen der Meilensteine mehr Zeit für die Überarbeitung des Businessplans einräumen zu können.
Die Prognosen gleichen alle einem Hockeystick.
Oliver Gosemann, Business Angel4. Eine neue Geschäftsidee
Nach Gosemanns Erfahrung funktionieren bei Start-ups die meisten Businesspläne nicht wie erwartet. Eine gründliche Überarbeitung des Geschäftsmodells, im Branchenjargon „Pivot“ genannt, ist also eher die Regel als die Ausnahme. Gosemann berichtet von einem Start-up, welches eine Technik entwickelt hat, um Solarmodule nach Ende ihres Lebenszyklus von 20 Jahren zu recyclen. „Da habe ich einfach die Wachstumskurve des Ausbaus von Solaranlagen um 20 Jahre verschoben, um daraus auf den Markt zu schließen“, erzählt Gosemann. „Es stellte sich allerdings heraus, dass die Leute die Solarmodule deutlich länger auf ihren Dächern behalten.“ Obgleich damit das Geschäftsmodell nicht wie geplant funktionierte, konnte die eigentlich fürs Recycling der Solarmodule gedachte Technik für andere Zwecke genutzt werden, womit das Start-up dennoch erfolgreich wurde.
5. Zu kurze Finanzierungen
Eine Überarbeitung des kompletten Geschäftsmodells fällt besonders schwer, wenn ein Start-up zu kurzfristig finanziert ist. Daher rät Gosemann entschieden zu einer längerfristigen Finanzierung von zwei und mehr Jahren. Dagegen würden einige Start-ups an einer oder mehreren Finanzierungsrunden im Jahr arbeiten. „Die Gründer bereiten dann nur noch Informationen für Investoren auf und gehen zu Unternehmenspräsentationen. Dann bleibt zu wenig Zeit für die Produktentwicklung und den Vertrieb“, warnt Gosemann.
Ein Grund: Founder und Altinvestoren würden mit den kurzfristigen Finanzierungsintervallen auf eine „Bewertungsarbitrage“ spekulieren. Denn mit dem steigenden Unternehmenswert würde der eigene Anteil auch kurzfristig deutlich „werthaltiger“ und der Verwässerungseffekt durch die neuen Investoren, die bei späteren Finanzierungsrunden weniger Unternehmensanteile für ihr Geld erhalten, abgeschwächt. Dies sind aber zunächst nur Buchgewinne, die sich kurzfristig nicht realisieren lassen. Wenn ein Gewinn entsteht, dann erst beim Exit.
6. FAZIT: Scheitern muss nicht endgültig sein
„Anders als in den USA gibt es in Deutschland keine Kultur des Scheiterns“, erzählt Gosemann weiter. Während Gründer jenseits des Atlantiks nach dem Untergang ihres Start-ups regelmäßig eine zweite Chance erhalten, falle dies Gründern in Deutschland schwerer. Allerdings gibt es auch hierzulande feine Unterschiede. Ein entscheidender Faktor sei, wie lange das erfolglose Start-up auf dem Markt gewesen ist. „Wenn jemand behauptet, sieben Jahre lang den Markt angetestet zu haben, dann glaubt das keiner“, sagt Gosemann kopfschüttelnd. Anders sei es, wenn Gründer nach ein- oder zwei Jahren die Notbremse gezogen haben oder diese von den Investoren gezogen wurde, weil sich z.B. der Geschäftsansatz als untauglich erwiesen hat und eine weitere Finanzierung deswegen scheitert. Solche Leute würden auch in Deutschland oft eine zweite Chance erhalten, zumal sie ja wertvolle Erfahrungen sammeln konnten. Es gilt der altbekannte Start-up-Grundsatz: „Fail fast, fail cheap.“