„Wenn Unternehmen scheitern, liegt das oft an mangelnder Liquidität“

​​​​​​​Die Liquiditätsplanung kann über den Erfolg von Start-ups entscheiden. Sie ist strategisch wichtig und gehört nicht allein ins Backoffice.

Start-up-Gründer denken viel über ihr Produkt, Zielmärkte, Geschäftsmodell, Finanzierung, Erträge und Wachstum nach. Kein Wunder, schließlich machen sie ein erfolgreiches Start-up aus. Dagegen bleiben unternehmerische Standardaufgaben wie die Liquiditätsplanung oft unbeachtet. Doch das kann sich rächen.

Timo Hoffmann vom Liquiditätsplanungs-Software-Hersteller Agicap schätzt, dass die meisten Klein- und Mittelständischen Unternehmen (KMU) wegen Geldmangels untergehen:  „Wenn Unternehmen scheitern, liegt das oft an mangelnder Liquidität.“

Bei Start-ups, die mit überschaubarem Kapital, negativem Cashflow, aber starkem Wachstum konfrontiert sind, stellt dies eine besondere Herausforderung dar. Hoffmann erläutert, welche Fehler Start-ups bei der Liquiditätsplanung begehen und wie sie es besser machen.

Liquiditätsmanagement
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1. Cash-Management gehört nicht ins Backoffice

„Die Liquiditätsplanung wird von Start-ups häufig nicht als wichtiges Thema wahrgenommen. Es gilt als Backoffice-Thema, das aber über Erfolg und Misserfolg einer Unternehmensgründung entscheiden kann“, sagt Hoffmann. Daher darf der Geschäftsführer das Thema Cash-Management nicht vollständig an Mitarbeiter delegieren, sondern muss die Liquidität mehrmals die Woche im Auge behalten.

Timo Hoffmann, Agicap

Die Liquiditätsplanung hat den strategischen Blick immer nach vorn gerichtet.

Timo Hoffmann, Head of Partnerships DACH bei Agicap Germany

2. Liquidität für mindestens sechs Monate sichern

Hoffmann empfiehlt Start-up-Gründern eine KMU-Faustregel: „Die Runway der Fixkosten muss für mindestens sechs Monate gedeckt sein. Ansonsten läuft man Gefahr, in eine Abwärtsspirale hineinzulaufen, aus der man nicht mehr herauskommt." Sobald unerwartete Kosten anfallen oder Einnahmen ausbleiben, genügt die Zeit oft nicht, neues Geld zu beschaffen oder auf der Kostenseite zu bremsen.

Natürlich können die Kosten auch durch Erträge beglichen werden. Doch selbst erfolgreiche Start-ups haben in der Wachstumsphase meist mit einem negativen Cashflow zu kämpfen. „Gerade am Anfang sind Umsätze schwierig zu planen, aber die Kosten kann man planen“, ergänzt Hoffmann.

3. Die Gefahr der Insolvenzverschleppung

Nach dem Gesetz muss der Geschäftsführer einer GmbH – der klassischen Rechtsform von Start-ups – spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung die Insolvenz anmelden. Unterlässt er dies, kann er der Insolvenzverschleppung bezichtigt werden und ist u. U. persönlich haftbar. Daher empfiehlt Hoffmann den Geschäftsführern und damit auch den Gründern eines Start-ups eine regelmäßige und genaue Kontrolle der Liquidität und des Cashflows.

Checkliste für die Liquiditätsplanung

Wer sollte eine Liquiditätsplanung aufstellen?

Jedes seriöse Unternehmen benötigt eine Liquiditätsplanung. Dies gilt besonders für Start-ups, die noch über kein bequemes Finanzpolster und keine großen Erträge verfügen.

Was ist eine Liquiditätsplanung?

Die Liquiditätsplanung umfasst die Einnahmen und Ausgaben über die kommenden mindestens sechs Monate, was wiederum mit den Barmitteln des Unternehmens verglichen werden muss. Besonders wichtig sind die Fixkosten, die sich also nicht kurzfristig reduzieren lassen.

Was gehört in eine Liquiditätsplanung?

Sämtliche Barmittel, Einnahmen und Ausgaben über das nächste halbe Jahr. Dabei ist zu beachten, dass Umsätze nicht gleich Einnahmen sind. Oftmals fallen bei einem Geschäft erst die Ausgaben an, bevor Monate später die Einnahmen aufs Konto eingehen. Diese Lücke muss finanziert werden.

5. Kontoauszüge für Liquiditätsplanung auswerten

Um bei der Liquiditätsplanung nichts zu übersehen, rät Hoffmann dazu, die Kontoauszüge aus den vergangenen Monaten auszuwerten. „Mit dem, was man weiß, sollte man anfangen“, kommentiert Hoffmann trocken. Dies klingt ebenfalls simpler als es ist. Denn Unternehmen verfügen meist über eine ganze Reihe von Konten, die zunächst einmal konsolidiert werden müssen. Dabei gilt es auch versteckte Konten wie z. B. bei Paypal nicht zu vergessen.

Anschließend vergleicht man die geplanten Fixkosten mit den Ist-Werten aus den Kontoauszügen. „Es passiert immer wieder, dass man etwas vergessen hat. So entdeckt man plötzlich etwa, dass der Sales-Kickback fehlt“, berichtet Hoffmann. „Es gibt oft eine Lücke zwischen dem, was die Leute planen, und dem, was sie tatsächlich ausgeben.“ Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Liquiditätsplanung mit den Kontoauszügen zu korrigieren.

6. Die Ausgabenpositionen clustern

Um beim Cash-Management den Überblick über die Ausgaben zu wahren, sollten die Kosten in Gruppen gegliedert werden. So könnten die Positionen beispielsweise nach Personalaufwendungen, Mieten, Marketing- und Vertriebskosten sowie Softwarelizenzen geordnet werden. Je nach Geschäftsmodell kann eine solche „Clusterung“ recht unterschiedlich ausfallen. Bei einem Software-Start-up beispielsweise seien die Personalkosten in der Liquiditätsplanung regelmäßig die Hauptposition und müssten entsprechend beachtet werden. Bei E-Commerce-Start-ups sehe dies ganz anders aus.

7. Verschiedene Planungsszenarien aufstellen

Kein Mensch kennt die Zukunft. „Der Planungsprozess ist per se sehr fragil und mit Unsicherheiten behaftet“, sagt Hoffmann. Unerwartete Ereignisse seien gerade bei Start-ups eher die Regel als die Ausnahme. Um dieser Herausforderung zu begegnen, empfiehlt Hoffmann verschiedene Szenarien für die Liquiditätsplanung anzufertigen. So könnten Start-ups ein Worst-Case, ein Best-Case und ein realistisches Szenario aufstellen. Je nach der tatsächlichen Entwicklung der Liquidität, bräuchten die Gründer dann lediglich den entsprechenden Plan aus der Schublade zu ziehen und den Gegebenheiten anzupassen.

Doch welchen Sinn hat ein Best-Case-Szenario? Laut Hoffmann muss auch der Fall berücksichtigt werden, dass ein Start-up plötzlich Aufträge in unerwarteter Größenordnung erhält. Denn auch ein Best-Case-Szenario stellt Anforderungen an die Liquiditätsplanung. So müssten beispielsweise zusätzliche Personal- oder Sachkosten geschultert werden. „Da im B2B-Geschäft Zahlungsziele von bis zu sechs Monaten üblich sind, kann dies schnell eine Liquiditätsplanung über den Haufen werfen“, erläutert Hoffmann. Denn für den Großauftrag fallen u. U. beträchtliche Personal- und Sachkosten an, bevor auch nur die erste Zahlung erfolgt. Dann ist es hilfreich, wenn ein Start-up über einen ausreichenden Liquiditätsspielraum verfügt. „Umsätze sind nicht gleich Zahlungseingänge“, resümiert Hoffmann.

TIPP

Beim Finanzmanagement schwören Start-ups immer noch auf Excel: Umfrage unter den Top 50 Start-ups zum Liquiditätsmanagement.

Zu den Ergebnissen der Umfrage

8. Das Problem der „Hardware-Start-ups“

Viele der Top 50 Start-ups kommen im weitesten Sinne aus dem Softwarebereich. Dazu gehören beispielsweise auch App-Hersteller für psychische Störungen wie Mentalis aus Nürnberg oder für Hautkrankheiten wie Dermanostic aus Düsseldorf. Bei solchen Unternehmen bestehen die Kosten hauptsächlich aus Personalaufwendungen.

Ganz anders, wenn es sich um Hersteller von z. B. teuren technischen Produkten wie Roboter handelt. „Hardware hat eine enorme Cash-Bindung zur Folge, weil Geld in Produktion, Lagerung und Logistik gebunden ist. Das macht die Liquiditätsplanung deutlich komplizierter“, betont Hoffmann. Beim Bau von solchen Geräten seien rasch Millionenfinanzierungen fällig, die für ein Start-up schwierig zu stemmen seien. Umso wichtiger sei ein umsichtiges Liquiditätsmanagement für Unternehmen mit einem solchen Geschäftsmodell.

9. Von Excel zu automatisierten Tools

Start-ups in der Seed-Phase finanzieren sich oft über EXIST- oder sonstige Gründerstipendien. In dieser Phase sind die Kosten übersichtlich, weshalb meist eine Liquiditätsplanung in Excel genügt. Doch sobald ein Start-up in die Wachstumsphase übergeht, ein starker Personalaufbau und womöglich auch Sachkosten anstehen, geraten Tabellenkalkulationen schnell an ihre Grenzen.

So müssen bei einer Liquiditätsplanung die Bewegungen auf sämtlichen Konten manuell in die Tabellen übertragen werden. Dies ist zeitaufwendig und fehleranfällig. Bei einem Tippfehler werden aus Erträgen von 1000 rasch 10.000 Euro –, dazu genügt lediglich eine zusätzliche „0“. „Der Zeitaufwand hat wiederum zur Konsequenz, dass man die Liquiditätsplanung am Ende herunterfallen lässt“, erzählt Hoffman. Da die Liquidität mehrmals wöchentlich geprüft werden sollte, sei die zeitraubende Planung mit Excel suboptimal.

Deswegen rät Hoffmann zu automatisierten Lösungen wie sie das Unternehmen Agicap anbietet, für das Hoffmann arbeitet. Diese Lösungen haben den Vorteil, dass die Bewegungen aus sämtlichen Konten tagesaktuell und fehlerfrei über API-Schnittstellen importiert werden. Ebenfalls über API-Schnittstellen kann die Liquiditätsplanung an Buchhaltungssoftware wie LexOffice, SevDESK oder DATEV angeschlossen werden.

10. Strategische Bedeutung der Liquiditätsplanung

Die Liquiditätsplanung stellt sicherlich kein reines Backoffice-Thema dar. Selbst wenn sich ein Angestellter um die operative Finanzplanung kümmert, muss sie zumindest der Geschäftsführer bzw. ein Gründer im Auge behalten. Dabei geht es nicht allein um die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit und damit die Vermeidung einer Insolvenz. Vielmehr hilft eine gute Liquiditätsplanung das Wachstum des Start-ups zu ermöglichen und besitzt daher strategische Bedeutung. Hoffmann meint: „Die Liquiditätsplanung hat den strategischen Blick immer nach vorn gerichtet.“

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