Mit Stipendium zum eigenen Start-up
Ein Besuch in der Gründerwerkstatt Berlin-Adlershof. Neue Stipendien ab Januar.
Florian Berg zählt zu den 20 Glücklichen, die im laufenden Jahr ein Stipendium des Gründerzentrums Adlershof in Berlin abbekommen haben. Ein Jahr lang erhalten ausgewählte Start-up-Gründer monatlich 2000 Euro, um damit ihre Geschäftsidee bis zu Marktreife und Unternehmensgründung zu bringen.
Doch bei Florian Berg und seinen Mitstreitern lief anfangs nicht alles rund. Ursprünglich wollten sie eine Plattform entwickeln, über die deutsche Arbeitgeber Pflegekräfte aus dem Ausland anheuern können. Der Clou dabei: Das Start-up übernimmt den gesamten Prozess von der Anwerbung, über die Anerkennung der Qualifikation bis hin zur Anmeldung der Visa.
Angesichts des Pflegekräftemangels hört sich das gut an. Doch die Bürokratie machte ihnen einen Strich durch die Rechnung. „Die Zusammenarbeit mit den Behörden war schon sehr problematisch. Das hatten wir unterschätzt“, sagt Berg heute konsterniert.
Stipendium erlaubt auch Neustart
Dann aber bot sich dem Team durch die Corona-Krise und dem daraus folgenden Wandel in der Gastronomie eine neue Chance im Lieferdienstgeschäft. „Wir arbeiten mit Sterneköchen zusammen und versenden ihr Essen an Konsumenten“, erläutert Berg. Denn viele Leute wohnen einfach auf dem Lande oder in Kleinstädten, wo keine Sterneküche vorhanden ist, dafür aber zahlungskräftige Kundschaft, die sich den Hochgenuss nicht entgehen lassen will. Dies ist nur durch die moderne Logistik und durch das „Sous Vide“-Verfahren möglich. Auch Luxusrestaurants bereiten ihre Gerichte mit diesem Vakuumverfahren vor. „Der Kunde braucht maximal noch fünf Minuten, bis das Essen auf dem Teller ist“, sagt Berg.
In der Fachsprache wird ein solches Umkrempeln des Geschäftsmodells als „Pivot“ bezeichnet und gehört längst zum Start-up-Alltag. Bei dieser Neuorientierung hat ihm auch das Team von der Gründerwerkstatt Adlershof geholfen. „Man bekommt auch den Raum zu scheitern“, sagt Berg. Das Gründerzentrum habe nicht auf dem überholten Geschäftsmodell bestanden, sondern aktiv bei dem Pivot geholfen, was ein großer Vorteil sei. „Nicht dass man drei oder vier Monate einfach weitermacht, nur um die Förderung zu erhalten.“
Die Bedeutung des Erfahrungsaustauschs
Ein anderer Stipendiat des Gründerzentrums ist Robert Booms von Digital Energy. Mit seinen 53 Jahren gehört er hier zu den Senioren. „Ich bringe aber 20 Jahre Industrieerfahrung mit, was auch seine Vorteile hat“, meint Booms. Er und sein Unternehmen Digital Energy zielen auf die Digitalisierung und Modernisierung von industriellen Dampferzeugern, um damit viel Energie einzusparen. Angesichts des Klimawandels liegt er damit voll im Trend.
Solche Dampferzeuger werden für die unterschiedlichsten Anwendungen in der Industrie benötigt. Dabei geht es um viel Energie. Booms beziffert allein die in Deutschland installierte Wärmeleistung der Dampferzeuger auf rund 150 Gigawatt. „Alle Elektrizitätskraftwerke in Deutschland haben zusammen eine Leistung von etwa 220 Gigawatt. Die Wärmeleistung der Dampferzeuger liegt also bei rund zwei Dritteln der Leistung der Elektrizitätskraftwerke.“ In der Regel arbeiten diese mit Erdgas. Da viele dieser Anlagen alt sind und ein Ersatz ansteht, bestehe hier ein beträchtliches Einsparpotenzial.
Unterdessen freut sich Booms, dass sich jetzt die Stipendiaten nach einer längeren Corona-Auszeit wieder zu einem gemeinsamen Frühstück im Gründerzentrum Adlershof treffen. Man kann sich schon gegenseitig weiterhelfen – und das über die verschiedenen Branchen und Geschäftsmodelle hinweg“, betont Booms.
Die Leistungen des Stipendiums
Zu den Leistungen des Stipendiums gehören 2000 Euro monatlich sowie Coaching-Module zu Finanzierung, Steuerfragen, Datenschutz (DSGVO), Kundenansprache, Konfliktmanagement im Team und vieles mehr.
Als besonders erfolgreich hat sich das Finanzierungsmodul erwiesen, welches von der Investitionsbank Berlin (IBB) veranstaltet wird. Dort wird u.a. über die Fördermöglichkeiten des landeseigenen Kreditinstituts berichtet. „Besonders gerne wird der Gründungsbonus der IBB angenommen“, berichtet Yvonne Plaschnick, Projektmanagerin bei der Gründerwerkstatt Adlershof. Bei diesem Programm werden bis zu maximal 50 Prozent der „förderfähigen Kosten“ von bis zu 50.000 Euro übernommen. Dazu gehören u.a. Material- und Investitionskosten, laufende Betriebsausgaben und Personalkosten. Die Chancen auf diese Förderung scheinen mehr als gut zu sein. „Meines Wissens haben das 100 Prozent der Antragsteller von der Gründerwerkstatt erhalten“, sagt Plaschnick.
Doch dies ist nicht alles. Vielmehr stellt die Gründerwerkstatt Adlershof bis zu 50 Co-Working-Arbeitsplätze zur Verfügung, die jeweils netto monatlich keine 200 Euro kosten.
Wer ein Stipendium der Gründerwerkstatt Adlershof beantragt, muss einen Wohnsitz in Berlin haben. Obgleich sich die meisten Stipendiaten noch in der Gründungsvorbereitung befinden, sind Anträge bis zu drei Monate nach der Gründung eines Unternehmens zulässig. Um in den Genuss der Förderung zu gelangen, muss der Sitz des zu gründenden Unternehmens allerdings Berlin sein.
Zwölf Monate müssen es schon sein
Christian Wirsching vom Biotech-Start-up Cinference lobt vor allem die Laufzeit des Stipendiums. „Das ist eines der wenigen Programme, die zwölf Monate dauern und wir sind gerade so weit, jetzt Fundraising zu betreiben“, erzählt Wirsching. Da die Biotechbranche nicht ganz günstig ist, spielt die Finanzierung eine erhöhte Rolle. Ein Problem seien die unzureichenden Laborkapazitäten. Laut Wirsching macht im Januar in Deutschland der erste Co-Lab-Space auf, in dem Start-ups die teuren Geräte für eine Gebühr nutzen dürfen, die sie sich ansonsten nicht leisten könnten, aber für den Unternehmenserfolg unerlässlich sind. „Die Geräte sind halt sehr teuer. Beim Angebot von Co-Lab-Space in der Biotechnologie ist Deutschland tot“, kritisiert Wirsching. In den USA sähe das ganz anders aus.
Dagegen bläst er an der Personalfront zur Entwarnung: „Beim Hiring sind wir recht erfolgreich.“ Anders als in den USA oder Großbritannien gebe es in der deutschen und europäischen Biotechbranche wenige Chancen für talentierte Wissenschaftler. „Wissenschaftler und vor allem Postdocs werden hier schlecht bezahlt“, berichtet Wirsching. Umso aufgeschlossener seien viele Biotechspezialisten, zu einem Start-up wie Cinference zu wechseln.
Neue Stipendien Anfang 2022
Während sich der laufende Stipendiaten-Jahrgang dem Ende zuneigt, ist die Zukunft des Programms für die kommenden anderthalb Jahre gesichert. Denn laut den Vertretern der Gründerwerkstatt Adlershof wurde die Fortsetzung soeben genehmigt. Im Januar können sich also weitere Gründungswillige um Stipendien bewerben.