Wie die Top 50 Start-ups die Corona-Krise meistern
Die Pandemie treibt so manches Start-up zu ganz neuen Geschäftsideen, andere nutzen die Zeit für Umsetzung und Optimierung ihrer Geschäftsmodelle.
Um 5 Prozent ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 eingebrochen, der größte Einschnitt seit der Finanzkrise 2008. Und ein Ende der Pandemie ist vorerst nicht in Sicht. Keine guten Voraussetzungen für Start-ups, sollte man meinen, zumal diese Unternehmen oft über geringen Cashflow, geringe Rücklagen und einen umso größeren Finanzbedarf verfügen.
Kaum verwunderlich, auch einige der Top 50 Start-ups wurden von der Krise kalt erwischt. Zwar konnten 52 Prozent ihre für 2020 gesteckten Ziele erreichen und 16 Prozent diese sogar übertreffen, doch immerhin 32 Prozent verfehlten sie.
Corona-Krise bietet auch Geschäftschancen
Nicht alle Unternehmen leiden unter der Corona-Krise. Namentlich Gründer aus den Bereichen Health & Life Science und verwandten Sparten wie Medizintechnik und Biotechnologie scheinen sogar von der Pandemie zu profitieren.
„Als schnelle Reaktion auf die globale Pandemie haben wir bereits im März 2020 unsere Lieferkette auf die Versorgung mit den derzeit überall dringend benötigten medizinischen Bedarfsmaterialien, wie zum Beispiel Sars-CoV-2 Test-Sets und Schutzmasken, ausgeweitet“, sagt inveox aus Garching bei München, ein Unternehmen, das eigentlich auf Histopathologie und Krebsdiagnostik spezialisiert ist. „Gleichzeitig verfolgen wir unser ursprüngliches Unternehmensziel, die Automatisierung des Gewebeprobeneingangs in Pathologielaboren, weiter.“
„Durch den deutlichen Schwerpunkt, den die Gesundheitswirtschaft 2020 erfahren hat, konnten wir die von uns entwickelten Themen schneller und eindeutiger bei unseren Partnern und Kunden platzieren“, heißt es von einem anderen Preisträger. Dank Corona habe die öffentliche Wahrnehmung für den Sektor „Digital Health“ deutlich zugenommen.
„Virtual Sales Calls" nehmen stark zu
Während in der Corona-Krise viele Großunternehmen über „Digitalisierung“ und „Prozessverbesserung“ reden, schaffen Top 50 Start-ups Fakten: „Die interne Teamorganisation mittels Online-Tools zur Kommunikation konnte umgesetzt und immer weiter verbessert werden“, berichtet ein Top 50 Start-up. „Intern waren wir bereits gut aufgestellt. Das Homeoffice bzw. das Volumen an Remote-Work haben jedoch nochmal zugenommen. Die Effekte sind für uns sehr positiv“, ergänzt ein anderes Unternehmen.
Doch nicht nur die interne Zusammenarbeit über das Internet hat sich mit der Krise verändert, sondern auch der Umgang mit Kunden. „Zusätzlich hat sich die Kommunikation mit Kunden via Webkonferenzen extrem verbessert“, heißt es weiter. „Ebenso verbessert, weil beschleunigt, hat sich der Zweit-Kontakt mit (potenziellen) Kunden. Diese finden mittlerweile standardmäßig über einen Videocall statt. Wenn ein Erstkontakt hier bereits bestand, ist dies eine Win-Win-Situation für unsere Kunden und uns“, erklärt das erste zitierte Top 50 Start-up. Dies bestätigen andere Preisträger. Generell würden auch immer mehr Kunden auf Online-Meetings setzen, was Geld und Zeit spare. Von daher wirken sich die Reisebeschränkungen nicht allzu nachteilig aus. Es gebe immer mehr „Virtual Sales Calls mit globalen Kunden“, betont ein weiterer Preisträger.
Kaum negative Effekte auf Finanzierungen
Wer wachsen will, braucht Geld – und meist viel davon. Umso erfreulicher ist, dass die Corona-Krise offenbar kaum negativen Einfluss auf die Finanzierung von Start-ups hat. „Wir haben uns 2020 – wie geplant – im Gründungsprozess mit erster Finanzierungsrunde befunden. Corona hatte darauf keinen negativen Einfluss, aber es gibt aktuell auch keine Verbesserungen, welche auf Corona zurückzuführen wären“, kommentiert eines der Top 50 Start-ups.
In der Krise zu neuen Produkten
Digitale Messen und die dazugehörige Technologie haben durch Corona einen Nachfrageschub erlebt. Dieser Trend stellt für so manches Start-up einen Glücksfall dar. „Im Rahmen eines Hackathons, bei dem Softwareprojekte zur Lösung der Krisensituation initiiert wurden, entwickelte die rooom AG im April 2020 auf Basis ihrer 3D Technologie eine spezielle Plattform für Online Events unter dem Namen EXPO-X, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, auch ohne direkten Kontakt auf Messen und Events präsent sein zu können. Somit wurde ein völlig neues Geschäftsfeld für die rooom AG erschlossen, was die Umsätze auch während der Krise stabil hält“, kommentiert die rooom AG aus Jena, die sich auf 3D, Virtual und Augmented Reality spezialisiert hat.
98 Prozent der Top 50 Start-ups sind für 2021 zuversichtlich
Trotz Corona konnten sich unsere Top 50 Start-ups 2020 also überraschend gut behaupten; die Stimmung ist ungebrochen. 49 der 50 Preisträger blicken „sehr optimistisch“ oder „optimistisch“ auf das neue Jahr; nur einer zeigte sich „pessimistisch “.
Erstaunlicherweise geben nur fünf Top 50 Start-ups ein Abklingen der Pandemie z.B. durch Impfungen für ihre positive Stimmung an. Ein Unternehmen führt seinen Optimismus sogar auf das Anhalten der Krise zurück. Die Pandemie wirke sich positiv aufs Geschäft aus, hieß es.
Die meisten Unternehmen geben jedoch Gründe für ihren Optimismus an, die in keinem Zusammenhang mit Corona stehen. Rund ein Viertel führt ihre gute Stimmung auf die Marktreife ihrer Produkte oder das Erreichen von „Meilensteinen“ oder „KPIs“ an. Drei Unternehmen freuen sich über den erfolgten oder absehbaren Abschluss einer Finanzierungsrunde.
Die gute Stimmung überträgt sich auf die Einstellungspläne. Nur 14 Prozent wollen keine neuen Stellen schaffen. Dagegen rechnen 64 Prozent der Start-ups mit einem einstelligen und 22 Prozent sogar mit einem zweistelligen Personalaufbau. Da die Top 50 Start-ups – ohne die Gründer – durchschnittlich gut zwölf Mitarbeiter beschäftigen, handelt es sich um keinen ganz kleinen Stellensegen.
Die Top 50 Start-ups im Detail
Zum konkreten Ranking der Top 50 Start-ups 2020 mit den individuellen Porträts der Preisträger und ihren Zahlen, Daten und Fakten.