In welche Start-ups investiert Sachsen-Anhalt? Interview mit Jan Alberti von bmp Ventures

bmp Ventures gehört zu den führenden Venture-Capital-Gesellschaften in Deutschland. Seit 2015 managt das Team von bmp neben privaten Fonds hauptsächlich auch die Risikokapitalfonds für Sachsen-Anhalt. Im Interview spricht bmp-Vorstand Jan Alberti darüber, was er bei der Zusammenarbeit von Start-ups erwartet, und warum die Bedingungen in Sachsen-Anhalt outstanding sind.

Jan Alberti
bmp Ventures-Vorstand Jan Alberti (Foto: : nmd – family, fools and friends)

Wie lautet euer Auftrag als Manager der IBG Risikokapitalfonds für Sachsen-Anhalt?

Unser Auftrag ist es, mit den IBG-Fonds und deren Gesamtvolumen von über 100 Mio. Euro renditeorientierte Investments in kleine und mittlere innovative Unternehmen und Start-ups aus Sachsen-Anhalt zu tätigen. Die Firmen müssen jedoch nicht zwangsläufig aus Sachsen-Anhalt kommen, sollten aber zukünftig entweder das gesamte oder wesentliche Teile des Unternehmens dort aufbauen wollen.

Welche Start-ups kommen für ein Investment infrage?

Wir schauen sehr technologieoffen, welche Start-ups für ein Investment interessant sein könnten. Wir halten uns hierbei an die regionale Innovationsstrategie des Landes Sachsen-Anhalt. Dort ist definiert, in welchen Technologiefeldern das Interesse von Sachsen-Anhalt am höchsten ist, zu investieren. Es geht generell um Ideen, die drängende Zukunftsfragen beantworten und schnelles Wachstum versprechen. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass wir nur in Hightech investieren, sondern tatsächlich auch in Dienstleistungsinnovationen. Ein technischer Aspekt sollte allerdings schon dabei sein und zumindest in seiner Konstellation sollte es sich um eine neue Geschäftsidee handeln.

Wie habt ihr euch als bmp Sachsen-Anhalt damals erschlossen?

Mit Beginn unseres Managements haben wir einen Dealflow über ganz Deutschland aufgebaut. Das heißt, wir suchen nach Investitionsmöglichkeiten und spannenden Start-ups, um sie nach Sachsen-Anhalt zu holen. Aber natürlich gucken wir uns besonders intensiv im Bundesland selbst nach innovativen Unternehmen um. Mit Ausgründungen aus der Wissenschaft hatten wir bereits durch unsere vorherigen Fondsmandate Erfahrung. Wir haben auch viele Player im Bundesland schon gekannt, wie den Investforum Startup-Service oder Univations. Wir sind eigentlich auf allen großen Start-up-Events und hatten auch so eine recht hohe Bekanntheit, auch weil wir Venture-Capital schon seit 25 Jahren machen.

Worin unterscheidet sich das Management von Landesfonds gegenüber Investitionen mit privaten Fonds?

Die Anbahnung eines Investments und das Hands-on-Management der Beteiligungen sind nicht anders. Wir gucken uns aber eher schwierige Themen genauer an, als wir das bei einem privaten Fonds machen würden. Unser Dealflow, der für Sachsen-Anhalt in Frage kommt, ist natürlich kleiner, weil wir mit den Fonds nur in Sachsen-Anhalt investieren. Du schöpfst nicht aus einem Meer aus europäischen Start-ups. Das ist anders, aber nicht unbedingt schlechter. Wir konnten, seitdem wir das Mandat übernommen haben, ein tolles Portfolio aufbauen mit ein paar echten Highflyern.

Wie bewertest du die Start-up-Szene in Sachsen-Anhalt?

Eine große Start-up-Szene in Sachsen-Anhalt haben wir bisher noch nicht. Eine Start-up-Szene ist für mich, wenn sich Start-ups untereinander in großer Zahl vernetzen und sich daraus von alleine etwas Neues entwickelt. Beispielsweise, wenn der ein oder andere Gründer einen Exit hat und nach dem Verkauf als Business Angel agiert. Oder wenn große Technologieparks und -zentren aus privater Hand entstehen. In den letzten Jahren hat sich aber bereits viel entwickelt und ich bin zuversichtlich, dass sich mittelfristig auch eine echte Start-up-Szene etabliert. Fragt man mich: Haben wir eine gute Struktur, um Start-ups zu unterstützen in Sachsen-Anhalt? Dann würde ich sagen: Ja. Wahrscheinlich so gut wie nirgendwo anders in Deutschland. Wie viel sich hier um junge Gründerinnen und Gründer gekümmert wird und mit wie viel Geld, ist hervorragend. Die Infrastruktur und der Zugang zu Fachkräften sind ebenfalls gut.  

Wo geht noch mehr?

Es gibt sehr gute Professoren, Wissenschaftler und Institute mit spannenden Technologien in Sachsen-Anhalt. Wir sollten diese Stärken jedoch noch mehr bündeln, um gewisse Erfolge gemeinsam zu feiern und die Bälle auch schneller zu spielen. Man muss einfach früher versuchen, Projekte wie Spin-offs zu lancieren und Kontakte in die Industrie herzustellen.

Welche Start-ups fernab der Landesgrenze passen nach Sachsen-Anhalt?

Wenn es um Geschäftsmodelle geht, die den Endkunden adressieren, ist Sachsen-Anhalt nicht zwangsläufig prädestiniert. Mittlerweile finden große Teile des Marketings online statt und an Online-Marketing-Expertise fehlt es in Sachsen-Anhalt. Es sei denn, die Gründerinnen  und Gründer bringen diese schon mit. Passender sind Hightech-Projekte, bei denen Wirtschaft und Wissenschaft eng zusammenarbeiten. Außerdem Geschäftsmodelle, die vor allem den Geschäftskundenbereich adressieren und direkt vertrieben werden.

Jan Alberti

Fragt man mich: Haben wir eine gute Struktur, um Start-ups zu unterstützen in Sachsen-Anhalt? Dann würde ich sagen: Ja. Wahrscheinlich so gut wie nirgendwo anders in Deutschland. Wie viel sich hier um junge Gründerinnen und Gründer gekümmert wird und mit wie viel Geld, ist hervorragend. 

Jan Alberti, Vorstand von bmp Ventures

Wie geht ihr bei der Akquise vor und worauf kommt es dabei an?

Nach sechs Jahren IBG-Fonds-Management wissen viele schon, dass wir vor allem in Sachsen-Anhalt investieren. Aber auf unserer bmp-Website liest du fast nirgendwo davon. Wir halten das bewusst am Anfang weit offen. Wir glauben, sobald wir mit den Start-ups außerhalb des Bundeslandes im Gespräch sind und dann erst im zweiten Schritt über Sachsen-Anhalt reden, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie sich eine mögliche Umsiedlung doch mal durch den Kopf gehen lassen. Das Vorgehen hat sich bisher bewährt. Aus meiner Sicht ist die schlechtere, immer nur von Sachsen-Anhalt zu reden, da im Allgemeinen der Standort ein Thema ist, welches bei Kapitalgebern sonst nur sekundär behandelt wird.

Was erwartet Start-ups, die mit euch zusammenarbeiten?

Es sind nicht nur unsere Investment-Manager, die den Start-ups in allen Facetten des Unternehmensaufbaus und der Finanzierung helfen, sondern wir haben auch Controller, Juristen und Steuerberater im Haus. Die Kollegen prüfen zum Beispiel die Rohdaten des jeweiligen Start-ups und erkennen unter anderem Fehler in der Buchhaltung. Das kann mal im Einzelfall ein wenig nervig sein. Am Ende des Tages sorgt es aber dafür, dass etwa der Jahresabschluss korrekt ist oder der Lizenzvertrag mit einem großen Industrieunternehmen die richtige Struktur hat. Wir haben außerdem ein hervorragendes Netzwerk zu sehr guten Dienstleistern, die ebenfalls unterstützen können. Start-ups, die in unserem Portfolio sind, haben es durch uns deutlich leichter sich professionell aufzustellen. In guten wie in schlechten Zeiten unterstützen wir dabei, das Portfoliounternehmen nach vorne zu bringen und damit den Unternehmenswert zu steigern.

Wie finanziert ihr euch? Müssen die Start-ups dafür zahlen?

Alles, was wir machen, ist für die Start-ups kostenfrei. Das heißt, wir werden durch die Fondsgesellschaft und nicht durch die Start-ups selbst finanziert. Wir werden regelmäßig für unsere Fondsmanagementleistung bezahlt und erhalten bei einem besonders großen Erfolg des Fonds auch eine Erfolgsprämie, sollte der Fonds deutlich mehr Geld zurückspielen, als er gekostet hat.

Wir verstehen uns als Hands-on Manager, die nicht nur investieren und dann weggucken, sondern aktiv mit den Start-ups zusammenarbeiten. Es gibt eine Reihe an großen unternehmerischen Entscheidungen, wo die Gründer uns als Investoren miteinbeziehen müssen. Bei vielen kleinen Dingen und etlichen anderen Fragen bezüglich des Unternehmens müssen sie es nicht, sie schätzen unsere Meinung häufig aber sehr. So haben wir in manchen Phasen täglich Kontakt mit den Gründern.

Was erwartet ihr von den Start-ups, in die ihr investiert?

Drive. Du musst mit einem Start-up Vollgas geben. Als Beispiel eine kleine Anekdote von den ersten Finanzierungsgesprächen mit UniNow. Die beiden Gründer von UniNow haben Fragen, die ich ihnen im Rahmen der Due Diligence, der Unternehmensprüfung vor der Investition, gestellt habe, häufig über Nacht beantwortet. Die dezidierte, ausführliche und gut formulierte Antwort, hat mir den Drive der Gründer gezeigt. Noch heute geben die Gründer Vollgas und haben es damit geschafft, ein tolles Unternehmen aufzubauen. Wir sind stolz, das Unternehmen bis hierher finanziell und durch unseren Support unterstützt zu haben.

Ein Start-up wird nicht erfolgreich, wenn du wesentliche Dinge auf die lange Bank schiebst. Damit meine ich: Du musst mit Kunden reden, mit potenziellen Investoren, du musst Personal gewinnen und zeigen, dass du wirklich etwas aufbauen möchtest. Es ist schwieriger für kleine Unternehmen, die zu Anfang nur knapp finanziert sind, einen Top-Mitarbeiter zu finden, gegenüber einem bestehenden, stark profitablen Großunternehmen, das einen Kindergartenplatz mitfinanziert. Der Gründer muss uns und weiteren Stakeholdern überzeugend rüberbringen, dass er weiß, wovon er redet. Ehrlichkeit ist ebenfalls ganz wichtig.

Welche Start-ups aus Sachsen-Anhalt haben zuletzt einen Wow-Effekt bei dir erzeugt?

Die Gründer und Manager vom Twinner haben es geschafft, ein sehr komplexes Industrieprodukt zu entwickeln und zu vermarkten. Wenn man dann erstmals sieht, wie es auf höchstem Niveau funktioniert und beim Kunden installiert werden kann, macht das stolz. Auch Tesvolt hat schon vor dem IBG-Investment bewiesen, wie hoch ihr Drive ist beim Unternehmensaufbau. Die positive Investmententscheidung haben sie uns sehr leicht gemacht. Über Wow-Momente in fast allen unseren Portfoliounternehmen könnte ich aber den ganzen Tag sprechen.

Wenn du heute ein Fazit aus der Betreuung des Sachsen-Anhalt-Fonds ziehen müsstest, wie würde es lauten?

Mit welcher Risikoposition, wie frühphasig und welche Technologien Sachsen-Anhalt anschiebt, ist deutschland- und sogar europaweit einmalig. Auf diese Weise und mit einem langen Atem lassen sich Dinge ausprobieren, die dann teilweise auch zu enormen Erfolgen führen. In der Regel ist es so, dass deutsche Investoren gerne finanzieren, wenn ein Start-up knapp profitabel ist und der Umsatz bei fünf Mio. Euro und aufwärts liegt.

Wir setzen deutlich früher an und sind häufig die ersten institutionellen Investoren, die siebenstellige Beträge in die Startups investieren. Hiermit ermöglichen wir es den Start-ups, notwendige Meilensteine zu erreichen und in späteren Phasen leichter private Investoren zu gewinnen. Das ist eine hohe Risikoposition und dass wir das machen dürfen, macht extrem viel Spaß und kann für die Start-ups und damit auch für Sachsen-Anhalt ein echter Game-Changer sein. Wir haben schon immer Hightech finanziert, auch mit kleineren Mitteln. Dass wir das hier mit größeren Mitteln machen können, macht die Sache leichter.

TIPP

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