Werden Personengesellschaften Start-up-tauglich?
Das neue Personengesellschaftsrecht (MoPeG) und seine Auswirkungen auf VC-Strukturen. Gastbeitrag von Dr. Philipp Grzimek, Partner bei Norton Rose Fulbright in München
Im Juni 2021 wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG) eine umfassende Reform des Rechts der Personengesellschaften beschlossen. Neben wenigen Änderungen im Handelsgesetzbuch zu den Personenhandelsgesellschaften (insbesondere offene Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft) betreffen die Regelungen insbesondere die im BGB geregelte Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR oder BGB-Gesellschaft).
„Modernisiert" wird durch die neuen Regelungen vor allem die Grundstruktur der BGB-Gesellschaft, weg vom Gesamthandsprinzip, welches die GbR traditionell als die Gesamtheit ihrer Gesellschafter betrachtet, und hin zu einer einheitlichen Gesellschaftsorganisation, die nach dem Willen ihrer Gesellschafter auch ohne weiteres Rechtsfähigkeit erlangen kann und damit in ähnlicher Weise wie eine KG oder eine GmbH nach außen auftritt.
Obwohl die neue Rechtslage im Wesentlichen erst ab dem 1. Januar 2024 in Kraft tritt – für Start-ups also eine halbe Ewigkeit in der Zukunft –, lohnt es sich, sich mit den Änderungen bereits jetzt vertraut zu machen.
Inhalt
1. Die BGB-Gesellschaft und die Änderungen durch das MoPeG
Die BGB-Gesellschaft ist durch die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft geprägt. An diesem Grundsatz wird sich selbstverständlich auch in Zukunft nichts ändern. Sie ist auch bislang schon in der Lage, im eigenen Namen Rechtsgeschäfte abzuschließen und auch sonst Inhaber von Rechten und Pflichten zu sein. In vielerlei Hinsicht ist die Rechtslage aber (bis zum Inkrafttreten des MoPeG) immer noch von Unsicherheiten geprägt.
Die wichtigste strukturelle Änderung in Bezug auf die BGB-Gesellschaft, welche das MoPeG einführt, ist die jetzt mögliche, aber auch erforderliche ausdrückliche Errichtung entweder als rechtsfähige oder als nicht rechtsfähige Gesellschaft. Künftig können die Gesellschafter mit der rechtsfähigen BGB-Gesellschaft bewusst eine Gesellschaft errichten, die am Rechtsverkehr im Außenverhältnis als Rechtssubjekt teilnehmen soll und dann auch in einem neu zu schaffenden Gesellschaftsregister (ähnlich dem Handelsregister) eingetragen werden kann.
Diese Eintragung ist sogar immer dann zwingend, wenn die BGB-Gesellschaft selbst als Rechteinhaber in einem öffentlichen Register (beispielsweise im Grundbuch, im Marken- oder Patentregister oder auch als Gesellschafter in einer GmbH-Gesellschafterliste oder im Handelsregister als Kommanditist) einzutragen ist. Mit ihrer Eintragung im Gesellschaftsregister muss die BGB-Gesellschaft als Namenszusatz die Bezeichnung „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts" oder „eGbR" tragen. Die Eintragung umfasst neben Informationen zur Gesellschaft selbst auch Daten zur Identifizierung der Gesellschafter (Name, Geburtsdatum, Wohnort). Ähnlich einer Handelsregistereintragung wird durch die Eintragung im Gesellschaftsregister auch eine Publizitätswirkung erzeugt, beispielsweise in Bezug auf die Vertretungsverhältnisse an der Gesellschaft, d. h. Dritte dürfen auf den Inhalt des Gesellschaftsregisters unter bestimmten Umständen vertrauen. Dies erleichtert den Rechtsverkehr mit der eGbR.
Eine weitere wichtige Neuerung ist die Möglichkeit, den Vertragssitz der Gesellschaft (also den Ort, der im Gesellschaftsvertrag als Sitz vereinbart ist) vom Verwaltungssitz (also von dem Ort, an dem die Geschäfte der Gesellschaft tatsächlich geführt werden) zu trennen. Damit wird es beispielsweise möglich, einen Verwaltungssitz im Ausland zu haben bzw. die Geschäfte der GbR im Ausland zu führen, auch wenn der Vertragssitz der Gesellschaft im Inland liegt.
Mit Inkrafttreten des MoPeG wird die BGB-Gesellschaft dann auch tauglicher Rechtsträger für eine Umwandlungsmaßnahme (z. B. Verschmelzung, Spaltung, Formwechsel) sein. Der Wechsel in die Rechtsform einer Personenhandelsgesellschaft, also oHG oder KG, kann ohne Umwandlung im Wege eines sog. Statuswechsels erfolgen.
Darüber hinaus enthält das MoPeG noch eine Reihe weiterer Regelungen, etwa hinsichtlich der Folgen von fehlerhaft zustande gekommenen Gesellschafterbeschlüssen.
2. Bedeutung der BGB-Gesellschaft im VC-Kontext
BGB-Gesellschaften erscheinen im Venture Capital-Kontext typischerweise vor allem in zwei Konstellationen:
- Einmal als Grundform des Zusammenschlusses der Gründer noch bevor der Plan zur Gründung einer Kapitalgesellschaft (GmbH) in die Tat umgesetzt wird und die ersten Nicht-Gründer (z. B. Business Angels) als Eigenkapitalinvestoren beteiligt werden.
- Zweitens in der Gestalt der Pooling-GbR, in der häufig in einer Frühphase der Gesellschaftsfinanzierung Investoren zusammengefasst werden, um den Cap Table übersichtlicher und leichter administrierbar zu halten.
Die beiden genannten GbR-Strukturen haben dabei unterschiedliche Anforderungen an Bestand, Rechtsfähigkeit und Publizität: Die Start-up-GbR ist typischerweise auf einen vorübergehenden Zeitraum angelegt, möchte aber ggf. bereits Träger von Rechten und Pflichten werden (z.B. Eintragung von Marken und Patenten, Abschluss erster Verträge). Das Bekanntwerden der Gesellschafteridentität dürfte dabei kein Problem darstellen, denn dies erfolgt in jedem Fall auch, sobald die Gesellschaft – zu einem späteren Zeitpunkt – die Rechtsform einer GmbH erlangt, was künftig auch im Wege der formwechselnden Umwandlung möglich sein wird.
Der Zweck der Pooling-GbR beschränkt sich hingegen auf die Beteiligung an dem Start-up selbst. Allerdings gilt künftig auch hier, dass die Pooling-GbR zwingend als eGbR aufgesetzt sein muss bzw. eine schon existierende Pooling-GbR ihren Status in eine eGbR ändern muss, weil sie ihrerseits in die Gesellschafterliste des Start-ups, die beim Handelsregister zu hinterlegen ist, einzutragen ist. Daraus ergibt sich dann, dass auch die Pool-Gesellschafter selbst in einem öffentlichen Register, nämlich dem Gesellschaftsregister, einsehbar sind.
Die BGB-Gesellschaft bleibt auch künftig, vor allem wegen des persönlichen Haftungsdurchgriffs auf ihre Gesellschafter, eine Gesellschaftsform nur für bestimmte Zwecke, die neuen Regelungen schaffen aber eine in vielfacher Hinsicht größere Rechtssicherheit und Praktikabilität im Umgang mit dieser Gesellschaftsform.
Dr. Philipp Grzimek, Partner bei Norton Rose Fulbright in München3. Konkrete Auswirkungen für VC-Strukturen
Die größere Rechtssicherheit, die durch die künftig formell konstituierte Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft und ihre Eintragung im Gesellschaftsregister entsteht, kann einerseits die unternehmerische Tätigkeit der Gründer in der Form einer eGbR erleichtern, indem im Außenauftritt eine Klarstellung und Publizität der Eigentums- und Vertretungsverhältnisse erreicht wird. Dies ist auch für die Pooling-GbR relevant, die in ihrer Funktion als Gesellschafter des Start-ups jederzeit schnell zu rechtlich bindenden Handlungen (vor allem bei Gesellschafterbeschlüssen) in der Lage sein muss.
Die Trennung zwischen Vertragssitz und Verwaltungssitz kann eine gewisse Relevanz in Fällen erlangen, in denen ein oder mehrere geschäftsführende(r) Gesellschafter ihren (Wohn-)Sitz im Ausland haben.
Außerdem wird durch das MoPeG die Umwandlung, vor allem der Formwechsel in eine GmbH, ggf. aber auch eine Verschmelzung auf eine andere Gesellschaft, ermöglicht und damit der Übergang des Start-ups in eine Rechtsform mit beschränkter Gesellschafterhaftung wesentlich erleichtert.
Die BGB-Gesellschaft bleibt auch künftig, vor allem wegen des persönlichen Haftungsdurchgriffs auf ihre Gesellschafter, eine Gesellschaftsform nur für bestimmte Zwecke, die neuen Regelungen schaffen aber eine in vielfacher Hinsicht größere Rechtssicherheit und Praktikabilität im Umgang mit dieser Gesellschaftsform. Es wird interessant sein zu beobachten, inwieweit sich die Verwendung der BGB-Gesellschaft im Wirtschaftsleben künftig dadurch verändert.