Vineforecast: Die Schlacht mit den Pilzen wird digital gewonnen
Mit der EXIST-Förderung ein Produkt zur Marktreife bringen.
Der größte Feind der Winzer ist winzig. Wenn er auf dem Siegeszug ist, sieht es aus, als ob sich ein feiner Mehltau über die Trauben legt. Es handelt sich um den echten und falschen Mehltau. Der ähnliche Name täuscht, tatsächlich handelt es sich um ganz unterschiedliche Pilzkrankheiten, die aber beide den Totalausfall eines ganzen Jahrgangs bewirken können.
Um diese wirtschaftliche Katastrophe zu vermeiden, müssen Winzer ihre Reben gegen die gierigen Pilze verteidigen, was normalerweise durch den Austrag von Fungiziden, pilzabtötende Substanzen also, geschieht. Doch diese sind teuer und auch nicht sonderlich umweltfreundlich. Überdies plant die EU-Kommission den Einsatz von Fungiziden bis 2030 zu halbieren. Entweder spritzen Weinbauern zu wenig und sie riskieren ihre Ernte oder aber zu viel, was Geld kostet und die Umweltschützer aufbringt.
Künstliche Intelligenz auf dem Weinberg
Um den Winzern aus diesem Dilemma zu helfen, haben die Brüder Paul und Richard Petersik aus Göttingen das Start-ups Vineforecast gegründet. Mithilfe von meteorologischen, physikalischen und agrarwissenschaftlichen Daten und Methoden kann ihre App genau voraussagen, wann im Weinberg welche Infektionsbedingungen vorliegen. Damit wird der Einsatz von Fungiziden anhand von künstlicher Intelligenz bzw. maschinellem Lernen optimiert und minimiert, was sowohl den Winzern als auch der Umwelt zugutekommt.
„Für unsere App ist keine Hardware im Weinberg erforderlich, weshalb wir unsere Lösung den Winzern deutlich günstiger anbieten können“, erläutert Richard Petersik, der BWL studiert hat und die kaufmännischen Aufgaben betreut. Herkömmlicherweise stellen Winzer eine Wetterstation in ihrem Weinberg auf, um den richtigen Zeitpunkt zum Spritzen zu kennen. „Aber diese Wetterstationen sind teuer und zwei Kilometer weiter können schon ganz andere Verhältnisse herrschen“, sagt Petersik.
Durch unseren hardwarefreien Ansatz ohne Wetterstationen hat der Winzer alle Weinberge seines Weinguts im Blick. Das schafft eine einzelne Wetterstation nicht. Bei uns werden alle Daten durch maschinelles Lernen auf einen konkreten Weinberg heruntergerechnet.
Richard Petersik, Mitgründer von VineforecastGünstiger als eigene Wetterstationen
Dagegen berücksichtige die App von Vineforecast auch die topografischen und mikroklimatischen Verhältnisse. So trockne ein Osthang nach einem Regenschauer viel schneller ab als ein Westhang, weshalb das Risiko für einen Pilzbefall ganz unterschiedlich ausfalle. Unter dem Strich würden aber die Angaben der teuren Wetterstationen und der günstigeren App zu 85 bis 95 Prozent übereinstimmen, versichert Petersik. Weiter erleichtere die App auch die erforderliche Dokumentation des Fungizideinsatzes.
Die Bedienung der App ist denkbar einfach. Eigentlich müssen nur die exakte Lage der eigenen Weinberge und die verwendete Rebsorte eingetragen werden, denn die Rebsorten sind gegenüber dem echten und falschen Mehltau unterschiedlich anfällig.
Die eigentliche Idee zu Vineforecast geht auf Richards Bruder Paul Petersik zurück, der Klimaphysik und Meteorologie studiert hat. Nach dem Studium hat er sich mit seinem Bruder Richard zusammengetan, um Vineforecast auf den Weg zu bringen. Mittlerweile sind nicht nur die ersten Feldversuche gelungen, sondern es gibt schon die ersten zahlenden Kunden. Der Product-to-Market-Fit der App ist also erfolgt.
Das EXIST-Programm bietet umfangreiche Fördermöglichkeiten für Start-up-Gründer von der Uni.
Mehr zu EXISTEXIST-Förderung war entscheidend
Maßgeblich für den Erfolg war die EXIST-Förderung. Insgesamt haben die Gründer rund 140.000 Euro vom Förderprogramm des Bundeswirtschaftsministeriums erhalten. Dies kam nicht allein dem Produkt zugute, vielmehr konnten die Petersiks auch einen promovierten Agrarwissenschaftler einstellen, um die Expertise ihres Gründerteams zu vervollständigen. „Das Produkt trägt sich noch nicht selbst“, gesteht Petersik. „Mit der EXIST-Förderung bekommt man Zeit, das Produkt weiterzuentwickeln und für einen Business Angel attraktiv zu werden.“
Als nächster Schritt steht für Vineforecast das Finden eines Business Angels auf der Agenda, um das Produkt im Markt auszurollen. Allerdings bestehe kein Zeitdruck. „Für eine Zwischenfinanzierung ist gesorgt“, sagt Petersik.
Die beiden Brüder haben noch viel vor. Vineforecast ist nur der erste Schritt. Die zugrundeliegende Technik könne auch in anderen Bereichen der Landwirtschaft zum Einsatz kommen. „Wir haben uns für den Weinbau entschieden, weil dieser bei der Digitalisierung besonders stark hinterherhinkt“, kommentiert Petersik.