„Wir haben uns vollständig über Bootstrapping finanziert“: Die Erfolgsgeschichte von Physec

Das Cyber-Security-Start-up will seine Mitarbeiterzahl in zwei bis vier Jahren verdoppeln.

Erst 2016 haben Christian Zenger und Heiko Koepke ihr Unternehmen Physec in Bochum gegründet, das Cyber-Security-Lösungen für das Internet of Things (IoT) anbietet. Keine fünf Jahre später beschäftigt Physec 43 Vollzeitkräfte. Ganz nebenbei hat es das Unternehmen dreimal unter die Top 50 Start-ups geschafft – so häufig wie kein anderer Preisträger. Noch erstaunlicher ist, dass Physec sein Wachstum aus eigenen Mitteln stemmen konnte. „Wir haben uns vollständig über Bootstrapping finanziert und sind profitabel“, freut sich Zenger.

Physec
Heiko Koepke und Christian Zenger (v. l.) arbeiten an einer physikalischen Cyber-Security-Lösung.

Chip mit „Radar“ erzeugt digitalen Fingerabdruck

Heutzutage stehen längst alltägliche Bereiche vor akuten Sicherheitsproblemen. So gibt es im digitalen Zeitalter immer mehr internetfähige Geräte. Zenger prognostiziert, dass auf jedes Smartphone 100 andere Geräte wie Sensoren kommen werden, die internetfähig sind. Damit wächst das Risiko, dass sich jemand mit unlauteren Absichten an den Geräten zu schaffen macht. Bislang wird die Sicherheit recht aufwändig und teuer mit Siegeln, menschlicher Kontrolle bis hin zum Röntgen der Geräte gewährleistet, wie es beispielsweise die Bundeswehr macht.

Doch diese Methoden kosten reichlich Geld. Zenger und seine Kollegen haben dagegen einen deutlich günstigeren physikalischen Weg gefunden, um die Sicherheit von solchen Geräten zu gewährleisten. „In das Gerät wird ein Chip eingebaut, der ein Miniradar enthält“, erläutert der promovierte Ingenieur. „Mit elektromagnetischen Wellen misst dieser Chip das Gerät aus und erzeugt so einen digitalen Fingerabdruck.“ Wenn das Gerät vom Produzenten über diverse Logistiker schließlich beim Endkunden ankommt, brauche man nur noch diesen Fingerabdruck zu vergleichen, um eine Manipulation an dem Gerät auszuschließen.

Der Clou dabei: Diese Chips und damit die Endgeräte sind mittlerweile recht günstig. „Als wir angefangen haben, hat ein Gerät noch 150.000 Euro gekostet. Unser erster Prototyp kostete noch immer 8.000 Euro. Mittlerweile ist unsere Lösung ab 20 Euro zu haben“, versichert Zenger. „Ab 2022 wird es sich nur noch um einen einstelligen Eurobetrag handeln.“ Die auf dem Radar-Chip und der dazugehörenden IoTree-Plattform aufbauenden Dienste und Services ermöglichen oft schon nach wenigen Monaten den Rückfluss des Investments (ROI). „Neben der IoT-Security (und der Radizierung der Anforderungen an komplexe Prozesse) ermöglichen wir so auch Produktschutz und Produktsicherung, Garantiebewertungen, Maintenance-Aspekte, Integritätsbewertungen sowie Tracing- und Vertrauensservices."

Smart Home als falsche Zielgruppe

Doch auch die Physec-Gründer mussten einiges hinzulernen. So haben Zenger und Koepke ursprünglich auch in den Smart Home-Anwendern eine große und damit lukrative Zielgruppe gesehen. „Die Bereitschaft für Sicherheit Geld auszugeben, ist hier aber sehr gering“, berichtet Zenger. Daher hat sich Physec zunehmend auf Sparten verlegt, wo schon aus rechtlichen Gründen hohe Cyber-Security-Standards verlangt werden wie etwa in der Medizintechnik. Da in anderen Bereichen die Sicherheitsanforderungen ebenfalls unablässig steigen, machen sich die Gründer aus Nordrhein-Westfalen keine Zukunftssorgen.

Obgleich Physec profitabel ist und bislang das Wachstum vollständig aus Eigenmitteln bestreiten konnte, erwägen Zenger und Koepke einen Investor ins Boot zu holen, um die erhöhten Vertriebs- und Marketingkosten zu bestreiten, die mit der geplanten europaweiten Expansion einhergehen. Auch im Recruitment hat Zenger ehrgeizige Ziele: „Unser Ziel ist, in zwei bis vier Jahren auf 100 Mitarbeiter zu kommen.“

Christian Zenger

Unser Ziel ist, in zwei bis vier Jahren auf 100 Mitarbeiter zu kommen.

Christian Zenger, Co-Founder und CEO von Physec

Bochum avanciert zum Cyber-Security-Zentrum

Unterdessen findet Zenger für den Standort im Herzen des Ruhrgebiets nur lobende Worte. Dies gilt vor allem für die Ruhr-Universität, das Horst-Görtz-Institut und das neue Max-Planck-Institut für Cyber-Sicherheit in Bochum (MPI). So ist Bochum mit über 26 Professoren für Kryptography und IT-Sicherheit einer der international führenden Hotspots. Einer der MPI-Direktoren ist Prof. Christof Paar von der Ruhr-Universität Bochum, der der Doktorvater von Zenger gewesen ist. „Damit hat sich Bochum zu einem der weltweit besten Standorte für Cybersicherheit entwickelt“, lobt Zenger. „Deswegen bin ich damals von Boston nach Bochum gegangen.“

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