„Prinzipiell haben wir genutzt, was es an Fördermöglichkeiten gab“

Die Unigy GmbH aus Essen hat den Gründerpreis NRW 2022 gewonnen. Das Unternehmen handelt an der Strombörse im Auftrag von Stadtwerken und Regionalversorgern und hilft damit, die Portfolios ihrer Kunden zu optimieren. Hind Seiferth, CEO und Co-Founderin von Unigy, erläutert ihr Erfolgskonzept und wie Start-ups Gründerwettbewerbe gewinnen können.

Unigy
Mona Neubaur (v. l.), Wirtschafts- und Klimaschutzministerin des Landes Nordrhein-Westfalen, Khouschnaf Ibrahim, Matthias Lohse, Hind Seiferth, Jan Knoche von der Unigy GmbH, Eckhard Forst, Vorstandsvorsitzender der NRW.BANK.

Herzlichen Glückwunsch zum Gewinn des Gründerpreis NRW. Zunächst eine banale Frage: Was macht Unigy überhaupt?

Wir bieten Stadtwerken Optimierungs- und Handelsdienstleistungen für ihr Portfolio an, wobei wir uns auf das Thema Strom fokussieren. Zum einen handeln wir Strom für die Stadtwerke vor allem im Kurzfristbereich an der Börse. Zum anderen schauen wir uns das Portfolio des Kunden an und versuchen es zu optimieren. Besitzt der Kunde beispielsweise konventionelle Anlagen oder erneuerbare Energien wie Photovoltaik oder Windkraft? Hat er erneuerbare Energien, dann können wir Überschüsse für ihn kurzfristig vermarkten.

Wenn er zu wenig oder zu viel Strom produziert, dann können wir das über die Börse regeln. Es geht also darum, Positionen zu kaufen oder zu verkaufen. Wenn der Preis an der Börse niedrig ist, dann kann es beispielsweise billiger sein, den Strom einzukaufen und seine eigenen Anlagen überhaupt nicht einzuschalten.

Die Optimierung geht aber über dieses einfache Beispiel hinaus. So fällt manchmal bei der Wärmeerzeugung Strom als Nebenprodukt an, den man ebenfalls an der Börse verkaufen kann. Wenn der Strompreis hoch ist und die Anlage über einen großen Wärmespeicher verfügt, dann kann es sinnvoll sein, etwas mehr Strom zu produzieren und die anfallende Wärme zu speichern.

Dabei kümmern wir uns um die gesamte Wertschöpfungskette von der Prognose bis zur Vermarktung an der Börse. Dazu setzen wir Künstliche Intelligenz ein, die sehr viele Daten wie etwa Wetterdaten aufnimmt und auswertet.

Die großen Versorger nehmen den Energiehandel und die Optimierung über die Börse in die eigenen Hände. Unigy will diese Möglichkeiten auch den Stadtwerken und Regionalversorgern anbieten, die das allein oft nicht stemmen können?

Theoretisch könnten die Stadtwerke Händler auch selbst einstellen. Doch für viele einzelne Stadtwerke ist das einfach zu teuer. Dann ist es besser, wenn man hierfür einen Dienstleister wie uns nimmt.

Worin besteht euer USP?

Wir sind die einzigen, die neben den großen Energieversorgern die gesamte Wertschöpfungskette aus einer Hand anbieten − also von der Optimierung bis zur Vermarktung. Die großen Energieversorger machen dies für sich selbst zwar auch, aber ob sie das im gleichen Maße den Stadtwerken anbieten, das wagen wir zu bezweifeln. Wir versuchen zusammen mit den Stadtwerken die Werte in ihren Portfolios zu heben.

Gegenwärtig geht es auf den Energiemärkten rund und namentlich Strom ist sehr teuer. Auch so manches Stadtwerk hat damit zu kämpfen. Wie kann Unigy hierbei helfen?

Wir helfen den Stadtwerken ihr Portfolio zu vergrünen und ihre Anlagen zur Erzeugung von erneuerbaren Energien zu bewirtschaften. Die Leistung dieser Anlagen muss sehr kurzfristig prognostiziert und vermarktet bzw. optimiert werden. Ansonsten könnten sie ihre überschüssige Erzeugung nur an die Großen abgeben, die ohnehin den Markt dominieren. Wir helfen dabei, dass erneuerbare Energien in den Markt hineinkommen.

Wenn auch die Stadtwerke die Bewirtschaftung dieser Anlagen besser beherrschen, dann können sie auch mehr Anlagen bauen.

Mit anderen Worten: Weil Wind nicht konstant bläst und die Sonne nicht immer scheint, kommt dem kurzfristigen Stromhandel eine große Bedeutung zu, um Über- bzw. Unterkapazitäten zu managen?

Auf der einen Seite müssen die Stadtwerke den Strombedarf ihrer Kunden befriedigen und das oftmals sogar zu einem Festpreis. Auf der anderen Seite haben sie Photovoltaik- und Windkraftanlagen in ihrem Portfolio, die mal produzieren und mal nicht. Regelmäßig herrscht in ihrem Portfolio ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage; diese Mengen müssen sie irgendwoher beschaffen. Diesen Ausgleich müssen die Stadtwerke im Kurzfristbereich sehr gut beherrschen.

Wie sehen die Wachstumspläne von Unigy aus?

Unser Gründungsteam ist schon sehr lange in der Energiewirtschaft tätig. Zusammen bringen wir über 70 Jahre Berufserfahrung in dem Bereich mit. Dabei haben wir immer mit Stadtwerken gearbeitet. Daher kennen wir auch die Entscheidungs- und Wertschöpfungsprozesse und wollen gemeinsam mit den Stadtwerken wachsen.

Operativ konnten wir relativ schnell starten, weil ein Regionalversorger bei uns als Investor eingestiegen ist und auch unser Kunde ist. Dadurch konnten wir über Mund-zu-Mund-Propaganda weitere Kunden gewinnen. Wir wollen immer mehr Stadtwerke als Kunden gewinnen und ihre Portfolios immer mehr vergrünen.

Kann man das irgendwie quantifizieren? Wie viele Kunden hat Unigy gewonnen und wie hoch fällt euer Umsatz aus?

2021 hat Unigy einen Umsatz von etwa 12 Mio. Euro erwirtschaftet. Was das Personal betrifft: Ursprünglich waren wir vier Gründer. Zwischenzeitlich sind zwei Mitarbeiter hinzugekommen. Für das kommende Jahr planen wir mindestens zwei weitere Mitarbeiter einzustellen.

Insgesamt gibt es in Deutschland etwa 1000 Stadtwerke und Regionalversorger, wovon allerdings rund die Hälfte den Konzernen gehört. Vom Rest schätzen wir realistisch etwa 250 bis 300 als potenzielle Kunden ein. Derzeit haben wir acht Kunden.

Welches war euer größtes Problem seit der Unternehmensgründung und wie habt ihr es bewältigt?

Als wir 2020 Unigy gegründet haben, war Corona eine große Herausforderung, weil wir mit unseren potenziellen Kunden keine Präsenztermine ausmachen konnten. Anschließend folgte die Energiekrise, die für hohe Volatilitäten an den Strommärkten sorgt. Schließlich stellte auch das Thema Finanzierung eine Herausforderung für uns dar. Wir hatten aber das Glück, dass wir mit RöhnEnergie nicht nur einen Kunden, sondern auch einen Investor gefunden haben. Mit den drei Herausforderungen Corona, Energiekrise und Finanzierung hatten wir schon zu kämpfen.

Hind Seiferth

[Wie man Gründerwettbewerbe gewinnt:]  Es stellt einen großen Vorteil dar, wenn man seine Geschäftsidee mit Themen verbindet, die aktuell gesellschaftliche Relevanz haben.

Hind Seiferth, CEO und Co-Founderin von Unigy aus Essen

Noch kurz zum Gründerpreis: Was bringt es Unigy, den ersten Platz beim Gründerpreis NRW gewonnen zu haben?

Wir haben uns für den Gründerpreis NRW beworben, weil wir unsere Vision einer grünen Stromversorgung weiterverbreiten wollten. Wir denken auch, dass den Stadtwerken bei der Energiewende eine Schlüsselposition zukommt. Vor allem werden wir durch den Gründerpreis NRW bekannter, was uns viel bringt.

Kannst du anderen Start-ups ein paar Tipps geben, wie man Gründerwettbewerbe gewinnt?

Für die gegenwertige Zeit haben wir ein aktuelles Thema. Bei uns kamen sehr viele passende Umstände zusammen: die Energiekrise, die richtigen Zielkunden mit den Stadtwerken. Es stellt einen großen Vorteil dar, wenn man seine Geschäftsidee mit Themen verbindet, die aktuell gesellschaftliche Relevanz haben.

Welche Tipps würdest du anderen Start-up-Gründern mitgeben?

Prinzipiell haben wir genutzt, was es an Fördermöglichkeiten gab. So haben wir ein Gründerstipendium bekommen, was wirklich eine tolle Sache ist. Das würde ich jedem Start-up-Gründer empfehlen. Auch dabei geht es nicht nur um das Geld. Wir haben auch ein Coaching bekommen und konnten uns mit anderen Gründern vernetzen. Wir haben viele Beratungsgespräche wahrgenommen: beim Start-up-Center der IHK und der NRW.BANK. Steuerberatung und gesellschaftsrechtliche Beratung −, all das haben wir genutzt. Es gibt tausend Angebote.