Interview Maria Sievert | inveox

Geschäftsidee inveox: Digitalisierung und Automatisierung der Abläufe in Pathologie-Labors mit dem Ziel: Nie wieder Proben vertauschen!

Interview Inveox

Die Gründung von inveox hängt ja mit einer sehr berührenden Story zusammen, dem Vertauschen einer Gewebeprobe mit dramatischen Folgen. Hätten Sie ohne diese Begebenheit inveox gegründet?

Maria Sievert: Es stimmt, dass Lindas Geschichte bei der Gründung von inveox ein besonderer Impulsgeber war. Linda erhielt eine Brustkrebsdiagnose. Um ihr Leben zu retten, entfernte man ihr die Brust – erst im Nachhinein stellte sich heraus, dass ihre Gewebeprobe im Labor vertauscht worden war. Linda hatte nie Krebs. 

Ich erzähle oft von Linda, weil ihre Erfahrung unserer Mission ein menschliches Gesicht verleiht. Lindas Geschichte und die vielen ähnlichen Erfahrungen anderer Menschen erinnern uns täglich, weshalb wir daran arbeiten, den Probeneingang in Pathologielaboren zu digitalisieren. 

Die Idee, aus der inveox entstand, kam mir allerdings bereits zu einem früheren Zeitpunkt: Bei einem Aufenthalt in den USA kam ich mit einem Pathologen ins Gespräch, der mich zu einer Besichtigung seines Labors einlud. Schon damals wurde mir klar, dass es hier Optimierungspotenzial gab und dass ich an einer Lösung für ein Problem arbeiten wollte, die Leben retten kann. Dazu kamen persönliche Erfahrungen, die Dominik und ich (und viele unsere Mitarbeiter) machen mussten, als Krebs unsere Familien erschütterte. Unsere Begegnungen mit bestimmten Menschen, unsere persönlichen Erfahrungen und unsere feste Überzeugung, dass wir helfen wollen, treiben uns an. Wir möchten engagierte Ärzte und medizinisches Personal bei ihrem unermüdlichen Einsatz für ihre Patienten unterstützen. 

Hatten Sie sich vor der Gründung mit dem Themenfeld eHealth Berührung?

Einer unserer Unternehmenswerte lautet „explore the unknown“. Darin klingt bereits mit, dass ich vor der Gründung unseres Unternehmens wenig Berührung mit der E-Health-Branche hatte. Meine Schwerpunkte liegen im Bereich Ingenieurwesen und Innovation, und mit der Denkweise, die ich aus diesen Bereichen mitbringe, bin ich an das Thema E-Health herangegangen: Ich sah ein System, das großes Optimierungspotenzial hatte. Mit dem Molekular-Biotechnologen Dominik Sievert fand ich den idealen Partner und Mitgründer, und so machten wir uns an die Arbeit.

Glauben Sie, dass es ein realistischer Gründungsansatz ist, von den möglichen Potenzialen eines bestimmten Start-up Segments auszugehen? Sprich: Aha, eHealth bietet enormes Marktwachstum, da mache ich jetzt auch was? 

Es werden sicherlich immer wieder E-Health-Startups gegründet, weil das Wachstumspotential in diesem Bereich so groß ist. In Deutschland sind die Möglichkeiten aktuell auch wegen des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) besonders spannend, und natürlich wünschen wir der Branche viele kreative Köpfe. 

Nichtsdestotrotz bin ich der Meinung, dass Unternehmer – ganz gleich in welchem Bereich – ihre Ideen und Produkte aus einer Vision und tiefer Überzeugung heraus entwickeln sollten, nicht nur aufgrund des potenzielles Profits. Ohne echte Motivation wird ein Start-up in der E-Health-Branche nicht lange überleben.

Wo steht inveox jetzt? Was sind die nächsten Entwicklungsschritte? Wie läuft die Vermarktung? 

Wir haben bisher drei erfolgreiche Finanzierungsrunden durchlaufen, durch die wir unsere Digitalisierungs- und Automatisierungslösung für den Probeneingang in Histopathologielaboren entwickeln und launchen konnten. Zudem haben wir inzwischen ein internationales Team von über 100 Mitarbeitern unterschiedlichster Herkunft, die an drei Standorten arbeiten (München, Krakow und Houston, Texas). 

Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie haben wir einen erfolgreichen zusätzlichen Geschäftszweig aufgebaut und beliefern Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen mit den dringend benötigten medizinischen Verbrauchsgütern. Außerdem arbeiten wir seit Kurzem mit mehreren wichtigen Akteuren in der MedTech- und Gesundheitsbranche zusammen, um digitale Lösungen in der Histopathologie weiter voranzutreiben, die nach wie vor unser Kerngeschäft bilden.

Wir planen, in Europa weiter zu expandieren und mit unserer Lösung baldmöglichst in den US-Markt einzutreten.

Wie stark ist das Geschäftsmodell von inveox reguliert? Sprich: Welche Hürden waren zu nehmen im Hinblick auf Produktzulassung bzw. sind noch zu nehmen?

Wir sind konstant mit einer bunten Mischung regulatorischer Anforderungen beschäftigt. Dazu gehören Datenschutzvereinbarungen, vertragliche Verpflichtungen und strenge Industriestandards wie etwa eine bestimmte Codesprache, dir wir einhalten müssen.

Insgesamt ist MedTech eine stark regulierte Branche – aus gutem Grund. Die Einhaltung der hohen Standards sichert nicht nur die Qualität, sondern schafft auch Vertrauen in unser Produkt. Medizinische Geräte können nicht einfach von jedem auf den Markt gebracht werden. Die Produkte müssen sicher sein und nachweislich funktionieren, denn am Ende des Tages hängen Menschenleben davon ab.

Die Vorschriften, die wir aus regulatorischer Sicht einhalten müssen, sind die Medical Device Regulation (MBR) und die EU-Verordnung für In-vitro-Diagnostika (IVDR). Aus Sicht der Produktentwicklung gibt es noch Weiteres zu berücksichtigen, etwa die GDPR, die HIPPA-Compliance und andere externe Vorschriften. Sie alle sind ideale Beispiele für gute Standards oder Best Practices der Branche. Sie bilden einen Fahrplan ab, dem wir folgen können – von den fundamentalen Vorschriften bis hin zu harmonisierten Standards und IEC-Normen.

Regulatorische Rahmenbedingungen werden oft als Hürden für den Markteintritt empfunden. Man kann sie aber auch als ein Tool sehen, das einem dabei hilft, der Konkurrenz voraus zu bleiben. Sobald wir die Compliance erreicht haben, muss die Konkurrenz nachziehen. Dadurch haben wir nicht nur einen Wettbewerbsvorteil, sondern auch die Möglichkeit, bestimmte Standards zu setzen, an die sich andere halten müssen. Insofern sind regulatorische Rahmenbedingungen eine ständige, aber notwendige Herausforderung mit Vorteilen für diejenigen, die sich die Arbeit zuerst machen. 

Wie stark wirken sich die Regulierungen im Bereich der Medizin auf die Finanzierung des start-ups aus? Mit dem Exist Gründerstipendium haben Sie ja einen wesentlichen Finanzierungs-Coup gelandet. Was war vor dem Exist-Stipendium und was war danach? Wie sind Sie vorgegangen, um Investoren zu finden? Würden Sie heute im Bereich Finanzierung etwas anders machen?

Anfangs waren wir selbstfinanziert und haben an Accelerator-Programmen teilgenommen. Wir hatten finanzielle Unterstützung und Investitionen von außen, aber die Möglichkeiten waren begrenzt. Der größte Faktor, der die Finanzierung eines MedTech-Start-ups beeinflusst, ist der regulatorische Prozess – er ist ein inhärentes Risiko, das aber abnimmt, je näher das Produkt den regulatorischen Standards kommt. 

MedTech ist ein streng kontrolliertes Umfeld, was aber nicht bedeutet, dass sich keine Finanzierung finden lässt. Unser Erfolg bei der Suche nach der richtigen finanziellen Unterstützung entstand dadurch, dass wir unsere Hausaufgaben machten: Wir stellten sicher, dass unsere Investoren verstehen, was es bedeutet, ein medizinisches Produkt auf den Markt zu bringen. Heute würde ich jedem Gründer den Tipp geben, Investoren zu finden, die mit den verschiedenen Phasen des Prozesses vertraut sind und gerne in diesen spezifischen Phasen investieren. Auf diese Weise bleiben sie bei jedem Schritt an deiner Seite und können dir in jeder Phase den Rat geben, den du brauchst, um dein Produkt auf den Markt zu bringen.

Inveox ist eine Teamgründung: Wie ergänzt sich das Führungsteam? Setzt eine Gründung im Bereich eHealth zwingend eine Teamgründung voraus? Hätte man inveox auch von einer Einzelperson gegründet werden können?

Etwa zur selben Zeit, zu der ich das erste Mal auf den optimierungsbedürftigen Probeneingangsprozess in Pathologielaboren stieß, erlebte mein Mitgründer Dominik das Problem aus erster Hand. Während eines Praxisseminars, das er während seines Studiums der molekularen Biotechnologie an der TU München besuchte, wurde er Zeuge einer Situation, in der eine Gewebeprobe beinahe mit einer anderen Probe vertauscht worden wäre.

Dominik und ich lernten uns schließlich durch das Manage&More-Programm an der TU München kennen und stellten fest, dass wir auf das gleiche Ziel hinarbeiten wollten. Unsere unterschiedlichen Schwerpunkte und die unterschiedlichen Herangehensweisen an das Problem ergänzten sich perfekt. Während ich mein Wissen als Ingenieurin einbrachte, konnte Dominik seine Erfahrung als MedTech-Unternehmer beitragen, da er bereits zwei andere erfolgreiche Start-ups gegründet hatte. Wir verdanken unseren Erfolg der Tatsache, dass wir inveox als Team gegründet haben.

Um schnell loslegen zu können, zogen wir Experten hinzu, um das nötige Know-how aus Bereichen einzuholen, die wir beide mit unserer Erfahrung nicht abdecken. Der Aufbau unseres Führungsteams war ein weiterer Schlüssel zu unserem schnellen Fortschritt.

Was ist aktuell für inveox im Bereich Marketing wichtig? Über welche Kanäle erreichen Sie Kunden, wichtige Stakeholder und die Öffentlichkeit?

Im Moment konzentrieren wir uns darauf, ein anerkannter, vertrauenswürdiger Name in der europäischen Gesundheitsbranche zu werden. Dazu gehört es, dass wir unsere Errungenschaften nutzen, um strategische Partnerschaften zu bilden, Produktmarketing mit Beziehungsaufbau zu verbinden und aktiv am Diskurs in unseren jeweiligen Fachbereichen teilzunehmen.

Unsere Errungenschaften der letzten zwei Jahre haben uns die Möglichkeit gegeben, an Diskussionen und Delegationsreisen unter Anerkennung des Bayerischen Ministerpräsidenten, der Bayerischen Staatskanzlei und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) teilzunehmen. Zudem wurden wir Mitglied des Weltwirtschaftsforums. Die Gelegenheiten zur Interaktion mit Branchenführern haben unser Selbstvertrauen gestärkt und uns geholfen, uns mit inspirierenden Menschen aus der Welt der digitalen Gesundheit zu vernetzen.

Zudem ist es uns gelungen, ein Markenbewusstsein aufzubauen und starke Unternehmenspartnerschaften zu bilden, die wir mit dem Wachstum unseres Unternehmens weiter ausbauen und stärken möchten.

Vielen Dank für das Gespräch.

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