„Wir bringen Gründungsteams zusammen“
Tobias Kirschnick und Olivia Budek von der Berliner WISTA Management GmbH im Interview
Tobias Kirschnick, Leiter des Gründungsteams bei der WISTA Management GmbH und Juniorgründungsberaterin Olivia Budek wollen gemeinsam die Netzwerkaktivitäten für Gründungsteams im Technologiepark Berlin-Adlershof und im Charlottenburger Innovations-Centrum CHIC stärken. Beide blicken auf eigene Gründungserfahrungen zurück und sprechen im Interview über ihre Ideen und Pläne für das Gründungsgeschehen.
Welche Wege haben Sie ins WISTA-Gründungsteam geführt?
Olivia Budek: Schon zu Schulzeiten an einem Wirtschaftsgymnasium in Brühl habe ich Netzwerktreffen für Gründerinnen und Gründer im Social-Business organisiert, die ihre Ideen dort pitchen und dann beim Buffet diskutieren konnten. Die Zutaten haben wir aus Bioläden abgeholt und so vor dem Wegwerfen gerettet.
Ich habe Kulturwissenschaften und Linguistik in Frankfurt/Oder studiert und nebenher weiter Gründungsideen entwickelt. Meine erste echte Gründung gemeinsam mit zwei Freundinnen ist localBOXberlin. Die Idee: Motto-Geschenkboxen mit regionalen Produkten, verpackt in Holzkisten, die bisher entsorgt wurden. Regional, kurze Lieferwege zwischen Stadt und Umland, Kreislaufwirtschaft – das waren für uns die wichtigsten Aspekte.
Wie ging ihr Weg von der Gründung zur Juniorleitung weiter?
Budek: Ich habe das Start-up mit aufgebaut, aber mich im Lauf der Zeit immer weiter in eine beratende Rolle verändert. Als Konsequenz habe ich eine befristete Stelle an einer privaten Hochschule in Berlin angenommen. Es ging um Bildungskooperationen mit Unternehmen, unter anderem um Spitzensportlern nebenberufliche Qualifizierung zu ermöglichen. Ich konnte mich gut in sie hineinversetzen, weil ich als Teenagerin auf eine Ballettkarriere hingearbeitet habe und selbst vor der Entscheidung stand, ob ich Tänzerin werde oder studiere.
Ich habe bei diesem Job erneut gemerkt, wie viel Spaß ich am Aufbau von Kooperationen und am Zusammenbringen von Menschen habe. Aber mir fehlte dort die Lebendigkeit der Gründungsszene, das Spontane, Unerwartete und der Innovationsgeist. Als ich auf die Stellenausschreibung der WISTA Management GmbH für die Gründungsbetreuung stieß, habe ich nicht einen Moment gezögert.
Herr Kirschnick, war ihr Weg zur WISTA ähnlich verschlungen?
Tobias Kirschnick: Ich habe Sinologie und BWL an der Freien Universität Berlin studiert und in Steuerlehre abgeschlossen. Nebenher hatte ich in einem Jugendaufbauwerk gejobbt, das sozial benachteiligten Jugendlichen zu einer Ausbildung verhalf. Nach dem Studium bin ich dort ins Qualitätsmanagement eingestiegen, wurde Ausbildungsleiter mit einem Team aus 35 Ausbildern und 250 Jugendlichen und war als stellvertretender Geschäftsführer eigentlich für die Leitung vorgesehen.
Aber mein Bruder kam mit einer Gründungsidee dazwischen. Zum Entsetzen unserer Eltern haben wir beide unsere sichere Laufbahn verlassen und eine Entscheidungshilfe-APP entwickelt. Wir haben einen Businessplan verfasst, Fördermittel akquiriert und das Gründerstipendium der Beuth-Hochschule erhalten. Binnen weniger Wochen waren wir ein Start-up. Auch wenn das Projekt am Ende kein kommerzieller Erfolg war und es nicht gelungen ist, die nötige Reichweite und Kundenbasis aufzubauen, war das rückblickend eine der besten Entscheidungen meines bisherigen Lebens.
Warum?
Kirschnick: Wir waren als Gründer im Gespräch mit Marketingchefs von Handelsketten und globalen Elektronikkonzernen, haben vor Investoren präsentiert und aus dem Nichts eine Unternehmensstruktur aufgebaut. Auch hatten wir Kontakt zu Dutzenden Gründungsteams und haben den Innovationsgeist aufgesogen. Diese Erfahrung hat mein Bewusstsein für mich und für mein Umfeld stark geprägt. Ich habe Rüstzeug erworben, das mir seit Herbst 2016 bei der Leitung der WISTA-Gründungszentren in Adlershof zugutekommt. Schon ein Jahr später ging die Gründungswerkstatt Adlershof (GWA) an den Start.
Wir haben in Adlershof die Gründungswerkstatt wunderbar ins Laufen gebracht mit bisher etwa einem Drittel Gründerinnen.
Tobias Kirschnick, Leiter des Gründungsteams bei WISTAWas steckt hinter der GWA?
Kirschnick: Bei diesem Programm vergibt die WISTA, gefördert durch die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und den europäischen Sozialfonds, für ein Jahr Stipendien an Start-up-Teams in einer monatlichen Höhe von 2000 Euro pro Person. Dazu kommen die Unterstützung durch erfahrene Mentoren sowie Workshops und Coachings zu gründungsrelevanten Themen. Im Programm enthalten sind zudem Zugang zu Netzwerken und Kontakten und kostenfreie Plätze im WSTA-Coworking Space.
Wir haben in Adlershof die Gründungswerkstatt wunderbar ins Laufen gebracht mit bisher etwa einem Drittel Gründerinnen. Es wäre schön, wenn wir 50:50 schaffen. Wir freuen uns, wenn die Teams es mithilfe der GWA schaffen, am Markt Fuß zu fassen. Einige der Gründungsteams sind inzwischen auch in Adlershof oder im CHIC angesiedelt. Dazu gehören Plattenbaum, die urban gardening an Plattenbauten realisieren wollen und das Start-up variate.energy, das eine datenbasierte Risikobewertung für die Selbstversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien bietet. Teams, die nach dem GWA-Jahr noch nicht so fest im Sattel sitzen, um eigene Räume zu beziehen, können sich im Coworking Space einmieten.
Übrigens: Die nächste Bewerbungsrunde für die Gründungswerkstatt Adlershof beginnt am 1. März 2022.
Zuhören und verstehen, was die Teams brauchen, ist wichtig.
Juniorgründungsberaterin bei WISTAWo sehen Sie Ihre Rolle im Gründergeschehen?
Kirschnick: Meine Rolle in Projekten ist es, Anstöße und Ideen zu geben, Hindernisse und zuweilen auch Bequemlichkeiten aus dem Weg zu räumen. Ich sehe gerne, wenn sich die Dinge entwickeln – es vorangeht. Das funktioniert nur, weil sich mein Team in der Umsetzung um die vielen Feinheiten kümmert. Ich sehe meine Aufgabe darin, Synergien zu identifizieren und diese zu heben. Das Umfeld für Start-ups hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt.
Programme wie der IBB Gründerbonus helfen Teams sehr unbürokratisch dabei, Ideen zu entwickeln. Dadurch kommt eine neue Dynamik ins Gründungsgeschehen dieser ohnehin hochdynamischen Stadt. Es tun sich zahlreiche Entwicklungschancen auf, die wir im CHIC und in Adlershof aufgreifen möchten, um Teams noch besser dabei zu unterstützen, ihre Ideen zur Reife zu bringen. Wir können Innovatoren zusammenführen. Wenn die damit anfangen, ihre Ideen auszutauschen, entstehen daraus wieder neue Ideen. Olivia und ich haben uns vorgenommen, beide Standorte zusammen zu bearbeiten und sie zusammenzudenken. Der Kommunikationsaufwand ist höher. Aber wenn unsere Pläne so aufgehen, wie wir es uns vorstellen, dann wird sich das auf jeden Fall lohnen.
Budek: Zuhören und verstehen, was die Teams brauchen, ist wichtig. Wir haben beide große Lust darauf Teams zusammenzubringen.