CHIC IN HEAVEN

Hoch hinaus - wie Start-ups die Luftfahrtindustrie voranbringen

In der Luftfahrt geben globale Konzerne den Takt vor. Können Start-ups in diesem Umfeld Fuß fassen? Zwei CHIC-Teams sind davon überzeugt und treiben Ideen rund um gekoppelte Drohnen und Softwareplattformen für Airlines und Tourismusanbieter voran.

Das Team von Airxelerate vor dem CHIC (Bild: airxelerate)

Wo viele andere erst einmal deprimiert die Flügel von sich gestreckt hätten, ist das Team der Airxelerate GmbH voll durchgestartet. Nina Sifi, Kristian Herpel, Kai Prozeller und Timur Sahin waren 2018 unmittelbar von der AirBerlin-Pleite betroffen. Sie hatten in der IT der Airline zusammengearbeitet und waren fest überzeugt, dass es für ihr Know-how einen Markt gibt. „Wir verstehen sowohl, wie Airlines arbeiten als auch die Abläufe der Touristikbranche“, erklärt Nina Sifi, die Geschäftsführerin des Start-ups.

Mit diesem Wissen treibt das Team nun Plattformlösungen voran, über die Airlines automatisiert freie Kapazitäten und deren Preise an Touristikunternehmen übermitteln können. Keine manuellen Eingaben mehr. Keine Drittanbieter. Schlank und effizient. Der automatisierte Vertrieb passt in die Zeit. Airlines sind spätestens seit der Pandemie bemüht, ihre Prozesse zu optimieren und ihre Flugzeuge voll zu bekommen.

Die Idee des mittlerweile neunköpfigen Start-ups kommt an. Bereits ein halbes Dutzend Kunden setzt auf den IT-basierten Vermittlungsservice zwischen der Airline- und Touristikwelt. Flüge von mehreren Millionen Passagieren werden über ihre Plattform vermittelt. Gespräche mit weiteren Airlines laufen. „Sie suchen Alternativen“, berichtet Sifi. Aktuell ist Skalierung angesagt. Möglich ist dieser Wachstumskurs, weil das Team auch zwei strategische Investoren von seiner Geschäftsidee überzeugen konnte. Ein namhafter Reiseveranstalter sowie die International Carrier Consult (ICC), die ihr Ex-Chef bei AirBerlin, Carsten Kröger, leitet. Er öffnet dem Start-up in seinem weiten Netzwerk Türen, wo er kann.

„Es hat in den letzten drei Jahren viel gepasst“, berichtet Sifi. Angefangen mit der Sondersituation, dass alle zum gleichen Zeitpunkt einen Neustart brauchten – und quasi als geschlossene Abteilung ihre geballte Kompetenz in das Start-up einbringen konnten. Die schmerzhafte Insolvenz führte zudem dazu, dass sich ihr Netzwerk in alle Winde verstreute, was mittlerweile zum Vorteil wird. Viele blieben im Beruf, wechselten in neue Unternehmen, heuerten bei neugegründeten Airlines an – und blieben für das Team ansprechbar. Dieses globale Netzwerk trägt. „Davon, dass nun auch die Messen wieder anfangen, erhoffen wir uns zusätzlich Rückenwind“, sagt sie. 

Alphalink
Das Team von Alphalink. (Bild: Alphalink)

Luft unter den Tagflächen – und Rückenwind

Mit dem Faible für die Fliegerei ist Airxelerate im CHIC nicht allein. Wobei das ebenfalls neunköpfige Team der AlphaLink Engineering GmbH auf einen ganz anderen Teil des himmlischen Geschehens abzielt. Das Team um Alexander Köthe und Daniel Cracau ist auf die Entwicklung von Embedded Systems für Drohnen spezialisiert. Es geht um Elektronikhardware, Software und um die funktionale Sicherheit von Flugkörpern, um die sich das Unternehmen jeweils im Kundenauftrag kümmert. Unter anderem treibt das Team gemeinsam mit einem anderen Spin-off des nahen Instituts für Luft- und Raumfahrt an der Technischen Universität Berlin ein Drohnenprojekt voran, das künftig eilige Medikamente oder sogar Spenderorgane transportieren soll. „Dafür haben wir ein Sicherheitssystem entwickelt, das im Notfall einen Mechanismus auslöst, der die Drohne sicher landet“, erklärt Cracau. Besonders für Transporte im urbanen Raum sind diese Sicherheitsvorkehrungen geboten.  

Die Entwicklungsdienstleistungen sind mittlerweile ein festes Standbein. Das Spielbein des flugbegeisterten Teams ist ein eigenes Flugzeugkonzept. Auch hier geht es um eine Drohne, die allerdings im Sinne hoher Flugdauern in der Stratosphäre mächtige Spannweiten aufweisen kann. Das modulare Konzept sieht es vor, mehrere Tragflächen und Rümpfe zu koppeln. „Das ist nötig, um mit Spannweiten weit jenseits von 50 Metern starten zu können“, sagt Cracau.

Noch funktioniert das Koppeln nur in Simulationen. Die Prototypen sind beim Start bereits gekoppelt. Doch Cracau ist überzeugt, dass der Plan aufgeht. Er verweist auf Luftbetankungen und Versuche der US-Airforce, die nach dem 2. Weltkrieg bemannte Flugzeuge gekoppelt habe, um Kraftstoff zu sparen. Für das AlphaLink-Team geht es aber zunächst um den Beleg, dass gekoppelte Drohnen in hohen Flughöhen länger fliegen und mehr transportieren können als ein einzelnes Flugzeug mit derselben Spannweite. Die Stratosphäre ist ein Fernziel. Es geht vorerst um hochauflösende Erdbeobachtung, ob Gletscher in der Antarktis, Regenwald oder Wildtiermonitoring.

Auch Solarbetrieb ist denkbar

Sieben Kilogramm Nutzlast (entspricht zwei bis drei sehr guten Kameras) und 15 Stunden ununterbrochene Flugzeit sind machbar. „Das ist um Faktor zehn mehr als marktübliche elektrisch angetriebene Drohnen können“, sagt Cracau. Mit Solarpanelen auf den Tragflächen könne der Wert noch deutlich steigen.

Das Team ist erst kürzlich ins CHIC umgezogen. „Für uns ist das prima, weil einige von uns noch am TU-Institut ein- und ausgehen und auch das Gros der Praktika, die wir anbieten mit Studierenden der TU besetzen“, berichtet er. Es gebe zudem immer wieder Kooperationen mit dem Fachgebiet und – wie im Fall der medizinischen Transportdrohne mit Teams, die von dort ausgründen. Der Umzug ins CHIC lohnt sich wegen der kurzen Wege, obwohl AlphaLink in den zuvor genutzten Räumen weit günstigere Konditionen hatte. „Aber für den Standort mitten im Zentrum Berlins ist auch unsere jetzige Miete mehr als OK“, sagt er. Und das, obwohl das Team bisher ohne externe Geldgeber agiert.

Die vom Team entwickelten Lehr- und Forschungsmaterialien für Hochschulen auf der einen Seite und Entwicklungsdienstleistungen für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt auf der anderen, tragen. Zum Lehr-Angebot zählt eine Drohne mit dem firmeneigenen Steuerungssystem, das so modifiziert ist, dass Studierende mit der Flugregelung experimentieren und sie von der Pike auf verstehen können. „Wir haben unser Know-how auf die Anforderungen der Lehre und Forschung heruntergebrochen und stoßen hiermit mittlerweile auch international aufzunehmende Nachfrage“, berichtet er. Am Himmel, so scheint es, ist viel Platz für frische Geschäftsideen