Mit KI gegen Brustkrebs

Interview mit Sherief Emam von Novu.ai

Die novu.ai aus Ilmenau hat den Pitch-Wettbewerb bei den Investor Days Thüringen gewonnen. Im Interview verrät Sherief Emam, CEO und Mitgründer des Start-ups für die KI-basierte Brustkrebsdiagnose, wo es hingehen soll.

Sherief-Emam
Sherief Emam, CEO und Mitgründer von Novu, bei den Investor Days Thüringen 2022 (Foto: STIFT)

Was macht novu überhaupt?

Wir bieten eigentlich zwei Lösungen an: Erstens geht es um die Früherkennung von Brustkrebs mittels künstlicher Intelligenz (KI). Alle entwickelten Länder besitzen ein Screening-Programm zur Früherkennung von Brustkrebs. Dabei wird eine große Menge von Daten erzeugt, die die Ärzte nur bedingt auswerten können.

Bei unserer KI-basierten Lösung werden die Ergebnisse der Mammografie in drei Gruppen vorsortiert: gesund, auffällig und mit Befund. Nur drei Prozent der Fälle sind auffällig und nur 0,5 Prozent mit Befund. Damit helfen wir den Ärzten effizienter und produktiver zu arbeiten. Nach unserer Vorauswahl wissen die Ärzte, welche Fälle sie sich besonders gründlich anschauen müssen und wo sie mehr Zeit und Fokus investieren müssen. Wir hoffen, dass mit unserer Lösung die Fehlerrate in der Brustkrebsdiagnose drastisch sinkt.

Derzeit erreichen nur drei Länder die Empfehlungswerte der EU, wonach 75 Prozent der Frauen im Jahr eine Brustkrebsvorsorgeuntersuchung machen sollten. In Deutschland liegt dieser Wert bei 52 Prozent, was in etwa dem Durchschnitt der EU-Länder entspricht. Es gibt einfach nicht genügend Ärzte dafür. In fast allen entwickelten Ländern werden nicht so viele Frauen gescreent wie empfohlen.

Wie zuverlässig ist eure Lösung?

Da sich in diesem Bereich langsam ein Wettbewerb entwickelt, möchte ich unsere Zahlen nicht veröffentlichen. Bei der manuellen Auswertung der Screenings liegt die Zuverlässigkeit bei etwa 85 Prozent, wobei immer zwei Ärzte auf die Screenings schauen. Unsere Lösungen übersteigt diese Zuverlässigkeitsquote. Da auch bei unserer Lösung immer noch ein Arzt über die Screenings schaut, wird die Fehlerquote auf jeden Fall sinken. Mit der Verringerung der Fehlerquote sparen auch die Versicherungen viel Geld, weil dann weniger unnötige weitere Untersuchungen wie Biopsien erforderlich sind.

Es gibt sicherlich eine Reihe anderer Unternehmen, die auf die gleiche Idee gekommen sind. Worin besteht euer USP? Worin zeichnet ihr euch gegenüber dem Wettbewerb aus?

Was ich bislang erzählt habe, ist nur der erste Teil unserer Lösung. Wir bieten nicht nur die Beurteilung der Screening-Daten, sondern decken darüber hinaus den gesamten Workflow der Ärzte ab. Die Ärzte müssen sich die Bilder anschauen und strukturierte Berichte erstellen. Für seinen Workflow braucht der Arzt bei uns auf keine andere Lösung zurückzugreifen.

Unser zweiter ganz großer USP besteht darin, dass sich andere KI-basierte Screening-Lösungen in unsere Plattform integrieren lassen. Wir bieten nicht allein eine Brustkrebserkennungsplattform an, sondern ein ganzes Ökosystem. Auf unserer Plattform lassen sich verschiedene Applikationen einbinden. Es gibt in der Forschung viele gute KI-basierte Diagnoselösungen für bestimmte Krankheiten, aber sie haben keine Plattform, die den gesamten Workflow des Arztes abdeckt. Es genügt nicht, eine gute KI-basierte Lösung zu entwickeln; man muss sie auch ins Krankenhaus bekommen. Dabei handelt es sich um eine sehr regulierte Industrie; es müssen sehr viele Richtlinien berücksichtigt werden.

Wann werdet ihr an den Markt gehen?

Wir haben in diesem Jahr mit den klinischen Studien begonnen und gehen davon aus, dass wir im nächsten Jahr kommerziell verfügbar sein werden.

Wie ist euer Gründerteam aufgestellt und habt ihr schon Mitarbeiter?

Unser Gründerteam besteht aus drei Ingenieuren und zwei Ärzten. Darüber hinaus beschäftigen wir beispielsweise eine Datenschutzbeauftragte, zwei Programmierer und einen Cloudbeauftragten.

Wie sieht eure Finanzierung aus? Habt ihr bereits Investoren an Board und braucht ihr noch zusätzliches Geld?

Wir führen schon Gespräche mit Investoren, die sehr stark daran interessiert sind, mit uns zusammenzuarbeiten. Wir bauen derzeit ein Netzwerk zu Investoren auf. Wir brauchen aber eine ganz bestimmte Form von Investoren. Wir suchen nicht nur Geld, sondern auch Netzwerk und Connections in die Gesundheitsbranche. Wir sind optimistisch, dass wir unsere erste Finanzierungsrunde in diesem Jahr erfolgreich abschließen werden. Die Summe würde ich aber ungern nennen.

Das hört sich nach einem gut skalierbaren Geschäftsmodell an. Habt ihr schon Pläne für eine Internationalisierung?

Vom ersten Tag an haben wir darauf geachtet, dass unsere Software-Architektur eine globale Skalierung erlaubt. Darüber hinaus sind wir bereits ins AWS Accelerator-Programm aufgenommen. [AWS ist die Cloudplattform von Amazon]. Damit sind wir eine von nur 20 Firmen weltweit.

Ausschlaggebend für AWS war unser Skalierungsmodell. Wir können also weltweit starten, was uns übrigens sehr viel Zeit gekostet hat. Daher können wir schon heute unser System weltweit in jedem Krankenhaus installieren. Wir streben derzeit eine Zertifizierung unserer Lösung in der EU, den USA und Großbritannien an.

Welches stellte bisher die größte Herausforderung beim Aufbau eures Start-ups dar?

Erstens stellt es eine Herausforderung dar, in der EU eine Plattform datenschutzkonform zu erstellen. Mithilfe von Legal-Partnern haben wir eine Super-Lösung entwickelt.

Zweitens ist KI nur so gut wie die Daten. KI kann sehr viel leisten, dafür braucht es aber strukturierte Daten. Ein Problem ist, dass wir keinen Zugriff auf die Daten haben. Das zweite ist, dass die Daten bei den Krankenhäusern unstrukturiert liegen. Jeder Arzt schreibt seinen Befund anders. Das stellt die zweite große Herausforderung für uns dar.

Drittens erstellen die Ärzte ihre Befunde nicht mit dem Gedanken im Hinterkopf, die KI zu trainieren. Mann muss der KI aber z. B. sagen, dass dies auf dem Bild ein Hund und dies eine Katze ist.

Noch eine letzte Frage: Ihr sitzt im thüringischen Ilmenau. Worin bestehen die Vor- und Nachteile des Standorts?

Die drei Ingenieure aus unserem Gründerteam haben hier an der TU-Ilmenau studiert. Darüber hinaus ist das Ökosystem in Ilmenau sehr gut. Wir haben eine sehr gute Universität und sehr gute Verbindungen zu Professoren. Alle unterstützen uns. Sogar der Präsident der Universität kennt unser Projekt und unterstützt uns. Weiter haben wir einen guten Zugang zu intelligenten Studenten.

Was fehlt, ist das Netzwerk. Es fehlen andere Start-ups, von denen man lernen kann. In Berlin und München ist es sicherlich viel einfacher, an Investoren heranzukommen. Dennoch arbeiten wir alle in Thüringen sehr gut zusammen, damit wir im Wettbewerb mit den größeren Bundesländern mithalten können.

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