Gründen – damals und heute: Was der Bestec-Chef dem Gründerinnenteam JUNA rät

Rainer Hammerschmidt gehörte zu den ersten Unternehmern des Technologieparks Adlershof. Seine Erfahrungen gibt er gern an Gründungswillige weiter.

Adlershof vor 30 Jahren. Wendezeit: Institute wurden abgewickelt, vielen brach die Lebensgrundlage weg. Rainer Hammerschmidt war 30 Jahre alt und arbeitete als Ingenieur am Zentrum für wissenschaftlichen Gerätebau der Akademie der Wissenschaften der DDR. „Eine solche Einrichtung gab es im Westen nicht, da wusste niemand etwas mit anzufangen. Ende. Wir aber wollten Unseres weitermachen“, erzählt er. Unseres, das war hochpräzise Lasermesstechnik. Durchaus mit Potenzial auf dem Weltmarkt.

Also wagte Hammerschmidt zusammen mit seinem Physikerkollegen Christian Rempel den Schritt, ein eigenes Unternehmen zu gründen: Bestec. Das Hauptproblem: Während in der DDR vieles staatlich geregelt war, galt es, sich von jetzt auf gleich in einem ganz neuen Wirtschaftssystem zu bewähren. Hammerschmidt organisierte sich erst einmal ein „Volontariat“, wie er es nennt, in der Firma eines Westberliner Bekannten. Auf dem Lehrplan: Kundenorientierung, Vertrieb, Buchhaltung. Ohne diese Basics nutzt das beste Produkt nichts. Davon allerdings wissen Gründerinnen und Gründer auch dreißig Jahre später noch ein Lied zu singen.

Rainer Hammerschmidt
Nach der friedlichen Revolution in der DDR hat Rainer Hammerschmidt sein eigenes Start-up aufgezogen. (Foto: WISTA Management GmbH)

Bestec beschäftigt 35 Mitarbeiter

Mittlerweile hat Bestec 35 Beschäftigte, seit 2013 ein eigenes Gebäude und zwei erfolgreiche Geschäftsbereiche: Optik im Vakuum einerseits und Beschichtungssysteme andererseits. „Wir sind ein Kundenwunschunternehmen, machen nichts von der Stange“, betont Hammerschmidt. Die hochspezialisierte Technologie wird in die ganze Welt geliefert, hauptsächlich in die Forschung, einiges auch an die Industrie, wie etwa an die Carl Zeiss Industrielle Messtechnik GmbH in Oberkochen.

„In den ersten 15 Jahren haben wir mit großer Unsicherheit gelebt. Da ist der Rückhalt in der Familie besonders wichtig. Nicht nur, weil es existenzielle Fragen sind bis hin zum Abbezahlen der Schulden“, resümiert Hammerschmidt. Apropos Geld: Er rät, möglichst viel im Unternehmen zu lassen und die Gewinnausschüttung an die Gesellschafter/-innen eher sparsam zu gestalten. So lassen sich auch Krisenzeiten überstehen. Auch das Wachsen solle nicht überstürzt werden. „Gute Kooperationspartner sind wichtig. In Adlershof finden wir die richtigen Rahmenbedingungen, inklusive zahlreicher Verbände und Plattformen zum regen Austausch, wie etwa den Technologiekreis.“

JUNA
Julie Winter und Nandi Scherbl (v. l.) wollen mit ihrem Start-up JUNA Gründerinnen bei der Selbständigkeit helfen. (Foto: WISTA Management GmbH)

JUNA will Gründerinnen fördern

Zu diesen guten Rahmenbedingungen wollen künftig auch Julie Winter und Nandi Scherbl beitragen. Die beiden Wirtschaftsexpertinnen haben eine Mission: mehr Frauen an die Spitze eines eigenen Unternehmens zu bringen – dauerhaft. Bessere Fokussierung, gezielte Kundenansprache, Insolvenzfälle drastisch reduzieren: Winter und Scherbl sprühen vor Unternehmungslust. Es seien nicht nur zu wenige Frauen, die überhaupt gründen, sondern vielen fehle es vor allem in der zweiten Phase am nötigen Schub, sagt Scherbl. „Die Frauen können tolle Sachen, haben fundierte Zusatzausbildungen. Aber dann fehlt der nächste Schritt, um erfolgreich zu werden: Weg vom Bauchladen, hin zu mehr Fokussierung und einer zielgruppengerechten Ansprache.“

Solo-Unternehmerinnen damit nicht allein zu lassen, das ist die Geschäftsidee der beiden jungen Frauen. „In diesem Bereich existieren viele Einzellösungen – mit JUNA wollen wir eine Plattform anbieten“, sagt Winter. Sie bauen einen virtuellen Raum auf, in dem sich die Gründerinnen im Rahmen einer Mitgliedschaft coachen lassen können, wo sie Lernvideos und andere Fortbildungsangebote finden, sich mit der Community austauschen und vernetzen können.

Als Scherbl und Winter 2020 selbst unter die Gründerinnen gegangen sind, haben sie dafür feste Jobs an den Nagel gehängt. Scherbl hat bei einem Venture Capital-Fonds gearbeitet. Winter war im Berliner Accelerator-Programm bereits in der Unterstützung von Unternehmensgründungen tätig: „Gründen bedeutet zwar, Sicherheiten aufzugeben. Aber dafür können wir viel mehr selbst gestalten.“

Gründerwerkstatt hilft mit monatlich 2000 Euro

Auch die Macherinnen von JUNA lassen sich übrigens coachen – im Rahmen der Gründerwerkstatt Adlershof. Diese helfe bei der Vernetzung und bietet außerdem eine monatliche Unterstützung von 2.000 Euro – ein willkommenes Zubrot, bis die Plattform voll entwickelt ist.

Wie sehen die alten und neuen Adlershofer Gründer/-innen ihre Unternehmen in 30 Jahren? Bei solchen Zeiträumen müssen die Endzwanzigerinnen schmunzeln: JUNA soll DIE Gründerinnenplattform im deutschsprachigen Raum werden. Rainer Hammerschmidt hingegen macht sich schon jetzt Gedanken über seinen Ausstieg und darüber, wie er seine Firma am besten in nachfolgende Hände übergeben kann – damit Bestec auch in dreißig Jahren noch erfolgreich ist.

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